Russland gewinnt in Libyen immer stärker an Einfluss
Dank guter Kontakte zum mächtigen General Chalifa Haftar kommt Moskau eine Schlüsselrolle in dem Konflikt zu.
TRIPOLIS. Kaum ein Tourist verirrt sich in die libysche Hauptstadt Tripolis. Hotels stehen leer, selbst Diplomaten bleiben meist nicht über Nacht. Die einzigen Stimmen, die man im fast leeren Speisesaal hört, sind arabisch – und russisch.
Russland gewinnt an Einfluss in dem Konflikt in Libyen, der schon sechs Jahre dauert. Nach dem Sturz von Diktator Muammar al-Gadafi stürzte das Land ins Chaos. Die derzeitige Einheitsregierung von Premierminister Fajis al-Sarradsch hat kaum Kontrolle über Tripolis hinaus. Im Osten des Landes, wo sich die wichtigsten Ölhäfen befinden, hat das dortige Parlament eine Gegenregierung ausgerufen. Das Gebiet steht unter Kontrolle eines der einflussreichsten Militärs in Libyen: General Chalifa Haftar.
Der exzentrische Militär drohte bereits mehrmals, Richtung Tripolis zu marschieren. Ohne ihn kann es keine Lösung des Konflikts in Libyen geben, das weiß auch der UNO-Sondergesandte für Libyen, Martin Kobler. Er suchte lange den Kontakt zu Haftar – auch mit Hilfe Moskaus. „Ich bin sehr froh, dass die Russen einen guten Einfluss auf General Haftar haben“, sagt er.
Die Positionen seien im UNO-Sicherheitsrat abgestimmt, sagt Kobler. Laut dem Moskauer Politikwissenschafter und Sicherheitsexperten Maxim Suchkow vom Russian International Affairs Council verfolgt Moskau aber auch eigene Interessen in Nordafrika. „Das hat vor allem damit zu tun, wie Russland über die ganze Region denkt.“Eine libysche Führung, die Moskau freundlich gesinnt ist, könne Teil einer von Russland dominierten Achse Damaskus-Kairo-Tripolis werden. Denn auch zu den anderen beiden Machthabern al-Sisi in Ägypten und Assad in Syrien pflegt Moskau ein gutes Verhältnis.
Beobachter fürchten, dass Russland die libyschen Machtkämpfe zu seinen Gunsten beeinflussen und langfristig einen russischen Einflusskreis rund um das Mittelmeer schaffen könnte. Dabei könnte Haftar, der einst in der Sowjetunion ausgebildet wurde, aus Moskauer Sicht als der natürliche Erbe von ExMachthaber Gadafi gelten.
Im Kreml, so ist aus dessen Umfeld zu hören, gräme man sich bis heute, 2011 im UNO-Sicherheitsrat kein Veto gegen den Militäreinsatz in Libyen eingelegt zu haben. Durch den Sturz des Regimes soll Moskau Energie-, Militär- und Infrastrukturaufträge im Umfang von rund vier Mrd. Dollar verloren haben. Jetzt geht man den wirtschaftlichen Interessen wieder nach. Im Februar unterzeichneten der Chef des russischen Ölkonzerns Rosneft und der Chef der libyschen Erdölgesellschaft ein Kooperationsabkommen. Die libysche Zentralbank, die von der Regierung im Osten kontrolliert wird, hat Russland mit dem Druck von frischem Geld beauftragt.
Russland gehe es aber auch um die Sicherheit des guten Partners Ägypten, das an Libyen grenzt, sagt Politikwissenschafter Suchkow. Die Terrormiliz „Islamischer Staat“hatte einige Gebiete Libyens unter ihre Kontrolle gebracht, konnte mittlerweile aber großteils zurückgedrängt werden. Vor Kurzem dankte General Haftar Russland bei einem Besuch in Moskau für dessen Hilfe im Kampf gegen den Terrorismus.
Unumstritten ist Haftar in Russland allerdings nicht. Vor allem, weil er früher einige Jahre in den USA gelebt hat. Derzeit gebe es aber keine Alternative, sagt Suchkow. Denn Moskau braucht die militärische Unterstützung des Generals. „Russland will nicht die militärischen und finanziellen Folgen tragen, sollte die Situation in Libyen eskalieren“, sagt der Sicherheitsexperte. Und genau das könnte demnächst passieren, glaubt UNO-Sondergesandter Kobler. „Ich bin sehr beunruhigt über die Lage, die wirklich das Potenzial hat, nicht mehr handhabbar zu sein.“