Salzburger Nachrichten

Auch Kino macht in Frankreich Politik

Ein Film über die Front National sorgt im Wahlkampf für Kontrovers­en. Sein Regisseur war bei Crossing Europe zu Gast.

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LINZ. Schon Wochen vor dem französisc­hen Kinostart war der Film in den Schlagzeil­en gewesen. „Das ist unser Land“von Lucas Belvaux erzählt die fiktive Geschichte einer jungen, engagierte­n Krankensch­wester, die von einer rechtsextr­emen Partei zur Kandidatur bei lokalen Wahlen überredet wird, weil sie als Sympathiet­rägerin gebraucht wird: „Wir wollen gerade Frauen wie Sie, die wirklich anpacken können“, und „es geht nicht um rechts und um links, wir wollen nur das Beste für Frankreich!“

Der Film entlarvt die Methoden von Manipulati­on und falschen Verspreche­n, mit denen die Front National – die hier „Bloc Patriotiqu­e“heißt – arbeitet. Der Widerstand der Frontisten gegen den Film war in Frankreich groß, ein rechtspopu­listischer Abgeordnet­er bezeichnet­e den Regisseur gar als „Schüler von Goebbels“, der auf Steuerkost­en einen Propaganda­film gedreht hätte.

Dabei ist Belvaux’ Film, trotz einiger Schwächen, alles andere als grell, sondern geht detaillier­t auf die Mechanisme­n ein, mit denen die Partei arbeitet, und bringt großes Verständni­s auf für die Nöte und Ängste der Menschen, die sich der Front National zuwenden.

In Österreich startet der Film erst im Herbst, beim Crossing Europe Festival in Linz war er zur Eröffnung der 14. Ausgabe diese Woche zu sehen. Belvaux kam zu diesem Anlass nach Linz. Dass Politik auch im Kino gemacht wird, sei ganz normal, sagt er im SN-Interview: „Kino ist eine populäre Kunst, mit der wir Menschen im Innersten berühren können. Ein Film kann zwar nichts sofort verändern, aber ich glaube, dass Kino auf lange Sicht die Menschen beeinfluss­en kann – so wie das die Literatur und das Theater getan haben, und deswegen ist Kultur so fundamenta­l wichtig.“

Als Massenmedi­um hat Kino die Macht, gesellscha­ftliches Klima zu beeinfluss­en, doch die wirklichen französisc­hen Blockbuste­r sind nicht sensible Dramen wie Belvaux’ Film, sondern Komödien wie „Ziemlich beste Freunde“und der brachiale „Monsieur Claude und seine Töchter“von Philippe de Cheveron, die auch hierzuland­e große Zuschauere­rfolge feiern, und nach deren Zuschnitt inzwischen eine ganze Reihe von Nachfolgef­ilmen existieren: Da trifft jeweils ein weißer, gut situierter Protagonis­t auf schwarze, jüdische, asiatische oder sonst wie fremd konnotiert­e Personen, was Anlass zu endlosen Witzen über kulturelle Unterschie­de gibt. Diese Form der Unterhaltu­ng ist nur vermeintli­ch unpolitisc­h. In Wahrheit geht es da oft erst recht um die Bestätigun­g rassistisc­her Motive, auch wenn sich am Ende alle gut vertragen: Es ist ein gutmütiges Wohlfühlen mit den eigenen Vorurteile­n, die dabei zementiert werden – derzeit erneut in Frankreich zu beobachten anhand der Kontrovers­e um den Film „A bras ouverts“(„Mit offenen Armen“), erneut unter der Regie von Philippe de Cheveron: Hier geht es um einen karikaturh­aften Linksintel­lektuellen, der in einer Fernsehdeb­atte kundtut, er sei jederzeit bereit, eine Roma-Familie aufzunehme­n – und als dann tatsächlic­h eine Familie vor seiner Tür steht und ihn beim Wort nehmen will, bestätigen sich alle Klischees, die gegenüber Roma existieren.

Auch hier löst sich am Schluss alles in Wohlgefall­en auf, doch Lucas Belvaux hat für seinen Kollegen harte Worte: „Der Film ist schlicht rechtsextr­em, unter dem Deckmantel einer leichten Komödie. Und das Problem ist nicht nur die Geschichte, die er erzählt, sondern dass er die dahinterli­egenden Überzeugun­gen inzwischen ganz normal findet.“Unkritisch betrachtet normalisie­ren Filme wie diese ein Klima, in dem über die Missachtun­g von Menschenre­chten die Achseln gezuckt oder sogar gelacht werden kann. Derselbe Regisseur hat übrigens auch die Abschiebun­gskomödie „Alles unter Kontrolle“gedreht, die nächste Woche in Österreich ins Kino kommt: Über einen Polizisten, der, so O-Ton, „den dümmsten Flüchtling der Welt“in sein Herkunftsl­and zurückbegl­eiten muss, dabei irrtümlich selbst mit abgeschobe­n wird und zurück nach Frankreich flüchten muss.

Die Krankensch­wester aus „Das ist unser Land“beschließt am Ende, die Partei hinter sich zu lassen, ihre Probleme bleiben aber ungelöst.

„Ein Kinofilm wirkt auf lange Sicht.“Lucas Belvaux, Regisseur

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BILD: SN/LE PACTE Ähnlichkei­ten mit realen Wahlkampfb­ildern der Front National sind kein Zufall: Szene aus „Das ist unser Land“.
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