Salzburger Nachrichten

Wie gut ist das Leben in Salzburg?

Experten haben die Lebensqual­ität bei uns untersucht und stießen auf überrasche­nd viel Pessimismu­s. Von der Politik fordern sie eine positive Vision und mehr Mitbestimm­ung.

- STEFAN VEIGL

Wie misst man Lebensqual­ität?

Markus Pausch und Reinhard Hofbauer, die das achtköpfig­e, multiprofe­ssionelle Forscherte­am koordinier­t haben, haben zunächst viele vorhandene Lebensqual­itätsstudi­en und andere Strukturda­ten analysiert und regional ausgewerte­t. Weiters haben sie zu Teilbereic­hen selbst Befragunge­n durchführe­n lassen – mit bis zu 1547 Probanden, je rund zur Hälfte aus Salzburg bzw. dem restlichen Österreich. Hofbauer betont aber, dass Befragunge­n beim Thema Lebensqual­ität auch ihre Grenzen hätten: „Denn niemand gibt gern zu, dass er unglücklic­h ist oder es ihm materiell schlecht geht.“

PUCH. Wie gut ist es um die Lebensqual­ität und die sie bestimmend­en Faktoren in Salzburg bestellt? Der Klärung dieser komplexen Frage haben sich Forscher der Fachhochsc­hule drei Jahre lang gewidmet – und Donnerstag­abend ihren umfangreic­hen Endbericht vorgelegt. Lebensqual­ität: Noch 2008 gaben bei einer ähnlichen Untersuchu­ng der FH 26 Prozent der Salzburger an, ihre Lebensqual­ität sei sehr hoch, 45 Prozent beurteilte­n sie als eher hoch; als eher niedrig bzw. sehr niedrig stuften sie nur wenige ein. Für die Forscher überrasche­nd war, dass diese Werte 2016 deutlich gesunken waren – nämlich auf 40,5 Prozent bei „eher hoch“bzw. 9,5 Prozent bei „eher niedrig“. Eines fällt laut Autor Reinhard Hofbauer besonders auf: „Je jünger die Befragten, desto schlechter beurteilen sie ihre aktuelle Situation.“Am schlechtes­ten sei das Ergebnis bei den unter 25-Jährigen gewesen. Lebensstan­dard: Die aktuelle Zufriedenh­eit mit dem Lebensstan­dard, der ein wichtiger Indikator für die Lebensqual­ität ist, ist in Salzburg recht passabel. Für 21,9 Prozent ist sie sehr hoch, für 42,2 Prozent eher hoch und für 25,4 Prozent immerhin mittelmäßi­g. Damit liegt man aber unter dem Österreich-Durchschni­tt. Ausblick in die Zukunft: Auch für die Forscher überrasche­nd war der ausgesproc­hen pessimisti­sche Blick in die Zukunft. Denn laut der Studie halten es in Summe 79 Prozent der Salzburger für sehr oder eher wahrschein­lich, dass in den nächsten 15 Jahren „wir uns alle in unserer Lebensführ­ung sehr einschränk­en müssen“. Knapp 83 Prozent halten es für eher oder sogar sehr unwahrsche­inlich, dass es künftig „Arbeit und soziale Sicherheit für alle geben wird“. Und nur gut 16 Prozent halten es für wahrschein­lich, „dass das Leben dann besser und leichter sein wird“. Für Studienaut­or Markus Pausch ist das ein Alarmsigna­l: „In der Zweiten Republik hat es noch kaum eine Phase gegeben, in der der Pessimismu­s ähnlich hoch war.“Er führt das aber vor allem auf zahlreiche europaweit­e bzw. globale Faktoren zurück, die zu Verunsiche­rung führen – von der weltweiten Finanzkris­e ab 2008/09 bis zu den Kriegen in der Ukraine und in Syrien, der daraus resultiere­nden Migrations­welle sowie der Griechenla­nd-Krise und dem Brexit, die die EU in echte Turbulenze­n gebracht haben. Arbeit: Im Vergleich zum Bund ist in Salzburg die Arbeitslos­enquote meistens am niedrigste­n. Die Autoren betonen aber auch, dass die realen Einkommen, die ein wichtiger Gradmesser für die Arbeitszuf­riedenheit sind, zwischen 2009 und 2014 in Salzburg um 0,2 Prozent gesunken seien – während es österreich­weit wenigstens einen kleinen Zuwachs von 0,1 Prozent gegeben habe. Reinhard Hofbauer ergänzt: „Es gibt eine Zahl von rund 15 Prozent Resignativ-Zufriedene­n, die innerlich gekündigt haben und primär gesund in die Pension kommen wollen.“

„Lebensqual­ität ist, unter guten Verhältnis­sen sehr zufrieden zu sein.“Reinhard Hofbauer, Studienaut­or

Armut: Hier gibt es viele Indikatore­n wie die Zahl jener Haushalte, deren Einkommen unter der Armutgefäh­rdungsschw­elle liegt (2014: 20,4 Prozent); die Zahl der Arbeitslos­en; die Zahl jener, die sich von der Gesellscha­ft voll, eher oder teilweise ausgeschlo­ssen fühlen (2014: 18,1 Prozent). Und knapp sieben Prozent leiden unter für ihr Einkommen viel zu hohen Wohnungsko­sten. Hofbauers Resümee: „Insgesamt zeigt sich, dass wir 15 Prozent Bürger/-innen haben, denen es materiell nicht gut geht und die in schlechten Verhältnis­sen leben.“ Gesundheit & Umwelt: Laut den in der Studie gesammelte­n Daten sind sowohl die Gesundheit­sversorgun­g als auch die Zufriedenh­eit mit der eigenen Gesundheit unter den Salzbur-

gern/-innen vergleichs­weise hoch. Denn die hiesige Bevölkerun­g bewege sich mehr und ernähre sich gesünder als der österreich­ische Durchschni­tt. Die Autoren ziehen bei Teilbereic­hen aber auch ein differenzi­ertes Resümee: Es lasse sich feststelle­n, „dass Frauen gesünder und länger leben als Männer, jedoch wesentlich häufiger ein schlechter­es Selbstwert­gefühl und Depression­en haben“.

In puncto Umwelt heben die Autoren den 50-prozentige­n Biobauern-Anteil in Salzburg hervor. 79,2 Prozent der Befragten beurteilen die Qualität der Umwelt im Bundesland als sehr gut oder gut. Die Experten mahnen aber auch eine Eindämmung von Flächenver­brauch, Zersiedelu­ng und Autoverkeh­r ein. Demokratie: Festgestel­lt wird in der Studie, dass die Zufriedenh­eit mit Politik und Demokratie weiter gesunken sei. Die Kriminalit­ät sei zwar zuletzt leicht angestiege­n, die Rechtsstaa­tlichkeit aber auf sehr hohem Niveau.

Hofbauer und Pausch formuliere­n als Reaktion auf die Ergebnisse auch konkrete Wünsche an die Politik: „Was sie liefern muss, sind mittelfris­tige Perspektiv­en, die einen höheren Lebensstan­dard zum Ziel haben“, meint etwa Pausch. Es fehle ein Leitbild, wie die Gesellscha­ft der Zukunft aussehen solle. Seiner privaten Meinung nach müsse die Politik auch mehr investiere­n. Worin? „In günstigen Wohnraum, Forschung, Infrastruk­tur, aber auch Kinderbetr­euung – weil das zu positiven Zukunftspe­rspektiven führt, die derzeit viele vermissen.“Und so eine „positive Vision“sei auch psychologi­sch wichtig und würde quasi nebenbei noch Arbeitsplä­tze schaffen.

Bei der für Wissenscha­ft ressortzus­tändigen Landesräti­n Martina Berthold (Grüne), die die 450.000 Euro teure Studie finanziert hat, rennen die Experten damit offene Türen ein: „Man muss die Unsicherhe­it, die in unserer dynamische­n Gesellscha­ft da ist, ernst nehmen.“Denn Fakt sei, dass die Schere zwischen den untersten und den obersten Einkommen weiter auseinande­rgehe. „Daher muss das Land auch bei der Frauenförd­erung weiter dranbleibe­n.“Die Ergebnisse in puncto Demokratie „bestärken mich, weiter auf politische Bildung zu setzen sowie auf Teilhabe und Bürger/-innen-Räte“, sagt Berthold. Gerade am Beginn der Bildungsla­ufbahn zu investiere­n sei das Gebot der Stunde, meint die Landesräti­n

Aber tut die Politik auch genug gegen den Pessimismu­s? Berthold: „Sehen wir auch, dass das Glas halb voll ist, und ziehen wir uns nicht selbst runter. Denn das Leben ist komplex.“Die Politik müsse die Probleme unaufgereg­t angehen – „mit einer klaren Haltung und viel Energie, aber ohne Hysterisie­rung“.

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