Wie gut ist das Leben in Salzburg?
Experten haben die Lebensqualität bei uns untersucht und stießen auf überraschend viel Pessimismus. Von der Politik fordern sie eine positive Vision und mehr Mitbestimmung.
Wie misst man Lebensqualität?
Markus Pausch und Reinhard Hofbauer, die das achtköpfige, multiprofessionelle Forscherteam koordiniert haben, haben zunächst viele vorhandene Lebensqualitätsstudien und andere Strukturdaten analysiert und regional ausgewertet. Weiters haben sie zu Teilbereichen selbst Befragungen durchführen lassen – mit bis zu 1547 Probanden, je rund zur Hälfte aus Salzburg bzw. dem restlichen Österreich. Hofbauer betont aber, dass Befragungen beim Thema Lebensqualität auch ihre Grenzen hätten: „Denn niemand gibt gern zu, dass er unglücklich ist oder es ihm materiell schlecht geht.“
PUCH. Wie gut ist es um die Lebensqualität und die sie bestimmenden Faktoren in Salzburg bestellt? Der Klärung dieser komplexen Frage haben sich Forscher der Fachhochschule drei Jahre lang gewidmet – und Donnerstagabend ihren umfangreichen Endbericht vorgelegt. Lebensqualität: Noch 2008 gaben bei einer ähnlichen Untersuchung der FH 26 Prozent der Salzburger an, ihre Lebensqualität sei sehr hoch, 45 Prozent beurteilten sie als eher hoch; als eher niedrig bzw. sehr niedrig stuften sie nur wenige ein. Für die Forscher überraschend war, dass diese Werte 2016 deutlich gesunken waren – nämlich auf 40,5 Prozent bei „eher hoch“bzw. 9,5 Prozent bei „eher niedrig“. Eines fällt laut Autor Reinhard Hofbauer besonders auf: „Je jünger die Befragten, desto schlechter beurteilen sie ihre aktuelle Situation.“Am schlechtesten sei das Ergebnis bei den unter 25-Jährigen gewesen. Lebensstandard: Die aktuelle Zufriedenheit mit dem Lebensstandard, der ein wichtiger Indikator für die Lebensqualität ist, ist in Salzburg recht passabel. Für 21,9 Prozent ist sie sehr hoch, für 42,2 Prozent eher hoch und für 25,4 Prozent immerhin mittelmäßig. Damit liegt man aber unter dem Österreich-Durchschnitt. Ausblick in die Zukunft: Auch für die Forscher überraschend war der ausgesprochen pessimistische Blick in die Zukunft. Denn laut der Studie halten es in Summe 79 Prozent der Salzburger für sehr oder eher wahrscheinlich, dass in den nächsten 15 Jahren „wir uns alle in unserer Lebensführung sehr einschränken müssen“. Knapp 83 Prozent halten es für eher oder sogar sehr unwahrscheinlich, dass es künftig „Arbeit und soziale Sicherheit für alle geben wird“. Und nur gut 16 Prozent halten es für wahrscheinlich, „dass das Leben dann besser und leichter sein wird“. Für Studienautor Markus Pausch ist das ein Alarmsignal: „In der Zweiten Republik hat es noch kaum eine Phase gegeben, in der der Pessimismus ähnlich hoch war.“Er führt das aber vor allem auf zahlreiche europaweite bzw. globale Faktoren zurück, die zu Verunsicherung führen – von der weltweiten Finanzkrise ab 2008/09 bis zu den Kriegen in der Ukraine und in Syrien, der daraus resultierenden Migrationswelle sowie der Griechenland-Krise und dem Brexit, die die EU in echte Turbulenzen gebracht haben. Arbeit: Im Vergleich zum Bund ist in Salzburg die Arbeitslosenquote meistens am niedrigsten. Die Autoren betonen aber auch, dass die realen Einkommen, die ein wichtiger Gradmesser für die Arbeitszufriedenheit sind, zwischen 2009 und 2014 in Salzburg um 0,2 Prozent gesunken seien – während es österreichweit wenigstens einen kleinen Zuwachs von 0,1 Prozent gegeben habe. Reinhard Hofbauer ergänzt: „Es gibt eine Zahl von rund 15 Prozent Resignativ-Zufriedenen, die innerlich gekündigt haben und primär gesund in die Pension kommen wollen.“
„Lebensqualität ist, unter guten Verhältnissen sehr zufrieden zu sein.“Reinhard Hofbauer, Studienautor
Armut: Hier gibt es viele Indikatoren wie die Zahl jener Haushalte, deren Einkommen unter der Armutgefährdungsschwelle liegt (2014: 20,4 Prozent); die Zahl der Arbeitslosen; die Zahl jener, die sich von der Gesellschaft voll, eher oder teilweise ausgeschlossen fühlen (2014: 18,1 Prozent). Und knapp sieben Prozent leiden unter für ihr Einkommen viel zu hohen Wohnungskosten. Hofbauers Resümee: „Insgesamt zeigt sich, dass wir 15 Prozent Bürger/-innen haben, denen es materiell nicht gut geht und die in schlechten Verhältnissen leben.“ Gesundheit & Umwelt: Laut den in der Studie gesammelten Daten sind sowohl die Gesundheitsversorgung als auch die Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit unter den Salzbur-
gern/-innen vergleichsweise hoch. Denn die hiesige Bevölkerung bewege sich mehr und ernähre sich gesünder als der österreichische Durchschnitt. Die Autoren ziehen bei Teilbereichen aber auch ein differenziertes Resümee: Es lasse sich feststellen, „dass Frauen gesünder und länger leben als Männer, jedoch wesentlich häufiger ein schlechteres Selbstwertgefühl und Depressionen haben“.
In puncto Umwelt heben die Autoren den 50-prozentigen Biobauern-Anteil in Salzburg hervor. 79,2 Prozent der Befragten beurteilen die Qualität der Umwelt im Bundesland als sehr gut oder gut. Die Experten mahnen aber auch eine Eindämmung von Flächenverbrauch, Zersiedelung und Autoverkehr ein. Demokratie: Festgestellt wird in der Studie, dass die Zufriedenheit mit Politik und Demokratie weiter gesunken sei. Die Kriminalität sei zwar zuletzt leicht angestiegen, die Rechtsstaatlichkeit aber auf sehr hohem Niveau.
Hofbauer und Pausch formulieren als Reaktion auf die Ergebnisse auch konkrete Wünsche an die Politik: „Was sie liefern muss, sind mittelfristige Perspektiven, die einen höheren Lebensstandard zum Ziel haben“, meint etwa Pausch. Es fehle ein Leitbild, wie die Gesellschaft der Zukunft aussehen solle. Seiner privaten Meinung nach müsse die Politik auch mehr investieren. Worin? „In günstigen Wohnraum, Forschung, Infrastruktur, aber auch Kinderbetreuung – weil das zu positiven Zukunftsperspektiven führt, die derzeit viele vermissen.“Und so eine „positive Vision“sei auch psychologisch wichtig und würde quasi nebenbei noch Arbeitsplätze schaffen.
Bei der für Wissenschaft ressortzuständigen Landesrätin Martina Berthold (Grüne), die die 450.000 Euro teure Studie finanziert hat, rennen die Experten damit offene Türen ein: „Man muss die Unsicherheit, die in unserer dynamischen Gesellschaft da ist, ernst nehmen.“Denn Fakt sei, dass die Schere zwischen den untersten und den obersten Einkommen weiter auseinandergehe. „Daher muss das Land auch bei der Frauenförderung weiter dranbleiben.“Die Ergebnisse in puncto Demokratie „bestärken mich, weiter auf politische Bildung zu setzen sowie auf Teilhabe und Bürger/-innen-Räte“, sagt Berthold. Gerade am Beginn der Bildungslaufbahn zu investieren sei das Gebot der Stunde, meint die Landesrätin
Aber tut die Politik auch genug gegen den Pessimismus? Berthold: „Sehen wir auch, dass das Glas halb voll ist, und ziehen wir uns nicht selbst runter. Denn das Leben ist komplex.“Die Politik müsse die Probleme unaufgeregt angehen – „mit einer klaren Haltung und viel Energie, aber ohne Hysterisierung“.