Macron und Le Pen verlieren im Finale an Kontur
Die beiden Kandidaten der französischen Stichwahl versuchen im Wählerpool des Gegners zu fischen. Das geht auf Kosten ihres Profils.
Wenn der erste Wahldurchgang in Frankreich eines gezeigt hat, dann den Wunsch der Wähler nach einer Erneuerung des politischen Systems. Dass weder ein Konservativer noch ein Sozialist es in die Stichwahl geschafft hat, war eine Absage an das Denken in politischen Lagern, das Frankreich bislang prägte.
Emmanuel Macron schlägt genau in diese Kerbe. Er will weder rechts noch links sein, was offensichtlich zu seinem Erfolg beigetragen hat. Er spricht Wähler auf beiden Seiten an, will Wählern auf beiden Seiten gleichermaßen gefallen. Das hat aber automatisch zur Folge, dass er in seinen Aussagen und in seinem Programm bislang vage bleiben musste.
Ja, aber – so mutet das Programm Macrons in vielen Punkten an. Ja zur 35-Stunden-Woche, aber bei mehr Flexibilität der tatsächlichen Arbeitszeit. Ja zu Einsparungen bei den Staatsausgaben, aber ohne dass es dabei zu Kürzungen im Sozialbereich kommt. Das einzig klare Bekenntnis, so freute man sich bislang von Brüssel über Berlin bis nach Rom, war das Ja zur Europäischen Union – ganz ohne Aber.
Eine Woche vor der Stichwahl wackelt nun dieses klare Ja. In einem Interview mit der BBC forderte Macron von der EU Reformen, ansonsten würde man sich dem „Frexit“, also dem Ausstieg Frankreichs aus der Gemeinschaft, stellen müssen.
Viele Leute seien in Hinblick auf die EU „wütend und ungeduldig“, konstatierte Macron und versucht damit wohl genau die Stimmen dieser wütenden Menschen zu gewinnen, die bislang eher dem LePen-Lager angehörten. Den Anstoß zu dieser Kurskorrektur hat vermutlich Marine Le Pen selbst gegeben, die kurz zuvor ihre eigene Position aufgeweicht hat: Ihr Wahlversprechen Nummer eins, die Abkehr vom Euro, ist mittlerweile passé.
Angesichts der immer gleichlautenden Umfragen ist Le Pen wohl klar geworden: So ungeduldig viele Franzosen mit der EU-Politik auch sein mögen, einen Austritt aus dem Euro will die Mehrheit nicht. Sich vom kompromisslosen „Raus aus dem Euro“zu verabschieden ist also nur opportun. Le Pen will sich damit für mehr Menschen wählbar machen. Genau wie Macron mit einem „Ja, aber“zur EU mehr Wähler anzusprechen hofft als mit einem klaren Ja.
Statt zu einer Zuspitzung kommt es im Finale des Wahlkampfs zu einer Aufweichung der Positionen. Klar Stellung zu beziehen scheint nicht mehr „en vogue“, zumindest wenn es um Europa geht. Bleibt zu hoffen, dass den Wählern am Ende klar ist, warum sie den einen oder die andere wählen sollen.