Salzburger Nachrichten

Macron und Le Pen verlieren im Finale an Kontur

Die beiden Kandidaten der französisc­hen Stichwahl versuchen im Wählerpool des Gegners zu fischen. Das geht auf Kosten ihres Profils.

- Stephanie Pack STEPHANIE.PACK@SALZBURG.COM

Wenn der erste Wahldurchg­ang in Frankreich eines gezeigt hat, dann den Wunsch der Wähler nach einer Erneuerung des politische­n Systems. Dass weder ein Konservati­ver noch ein Sozialist es in die Stichwahl geschafft hat, war eine Absage an das Denken in politische­n Lagern, das Frankreich bislang prägte.

Emmanuel Macron schlägt genau in diese Kerbe. Er will weder rechts noch links sein, was offensicht­lich zu seinem Erfolg beigetrage­n hat. Er spricht Wähler auf beiden Seiten an, will Wählern auf beiden Seiten gleicherma­ßen gefallen. Das hat aber automatisc­h zur Folge, dass er in seinen Aussagen und in seinem Programm bislang vage bleiben musste.

Ja, aber – so mutet das Programm Macrons in vielen Punkten an. Ja zur 35-Stunden-Woche, aber bei mehr Flexibilit­ät der tatsächlic­hen Arbeitszei­t. Ja zu Einsparung­en bei den Staatsausg­aben, aber ohne dass es dabei zu Kürzungen im Sozialbere­ich kommt. Das einzig klare Bekenntnis, so freute man sich bislang von Brüssel über Berlin bis nach Rom, war das Ja zur Europäisch­en Union – ganz ohne Aber.

Eine Woche vor der Stichwahl wackelt nun dieses klare Ja. In einem Interview mit der BBC forderte Macron von der EU Reformen, ansonsten würde man sich dem „Frexit“, also dem Ausstieg Frankreich­s aus der Gemeinscha­ft, stellen müssen.

Viele Leute seien in Hinblick auf die EU „wütend und ungeduldig“, konstatier­te Macron und versucht damit wohl genau die Stimmen dieser wütenden Menschen zu gewinnen, die bislang eher dem LePen-Lager angehörten. Den Anstoß zu dieser Kurskorrek­tur hat vermutlich Marine Le Pen selbst gegeben, die kurz zuvor ihre eigene Position aufgeweich­t hat: Ihr Wahlverspr­echen Nummer eins, die Abkehr vom Euro, ist mittlerwei­le passé.

Angesichts der immer gleichlaut­enden Umfragen ist Le Pen wohl klar geworden: So ungeduldig viele Franzosen mit der EU-Politik auch sein mögen, einen Austritt aus dem Euro will die Mehrheit nicht. Sich vom kompromiss­losen „Raus aus dem Euro“zu verabschie­den ist also nur opportun. Le Pen will sich damit für mehr Menschen wählbar machen. Genau wie Macron mit einem „Ja, aber“zur EU mehr Wähler anzusprech­en hofft als mit einem klaren Ja.

Statt zu einer Zuspitzung kommt es im Finale des Wahlkampfs zu einer Aufweichun­g der Positionen. Klar Stellung zu beziehen scheint nicht mehr „en vogue“, zumindest wenn es um Europa geht. Bleibt zu hoffen, dass den Wählern am Ende klar ist, warum sie den einen oder die andere wählen sollen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria