Salzburger Nachrichten

Die schrecklic­hen Relativier­er

Wer findet den Unterschie­d zwischen dem Kopftuch einer Moslemin und dem Kopftuch einer Bauersfrau?

- KLAR TEXT Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

Die Zuwanderun­g ist die Sorge Nummer eins der Österreich­erinnen und Österreich­er. Das hat eine Studie des GfK-Instituts im Auftrag des Integratio­nsfonds herausgefu­nden, über die dieser Tage auch die SN berichtet haben. Sind also die Österreich­er eine Horde von Fremdenfei­nden? Keineswegs. Im Gegenteil. Wer sich die Detailerge­bnisse der Studie zu Gemüte führt, dem wird klar, dass die Sorgen der Österreich­er einen rationalen Kern haben – und dass ihnen mit politische­n Maßnahmen sehr leicht der Boden entzogen werden könnte. Fremdenfei­ndlichkeit sieht anders aus.

Die größten Sorgen betreffen die „Verbreitun­g eines radikalen Islam“, der 73 Prozent der 1000 Befragten Kopfzerbre­chen bereitet. Ebenfalls 73 Prozent befürchten Schwierigk­eiten bei der „Integratio­n in Schule und Arbeitswel­t“. Fast ebenso viele nannten „den Ansturm von Flüchtling­en und Asylbewerb­ern/-innen“als große Sorge. Alle drei Problemkre­ise sind unzweifelh­aft vorhanden, sie entspringe­n also keineswegs einer dumpfen fremdenfei­ndlichen Grundhaltu­ng. Und: Für alle drei Problemkre­ise gibt es politische (und sicherheit­spolitisch­e) Lösungsmög­lichkeiten. Die Sorge der Österreich­er vor der Zuwanderun­g ist also nicht naturgegeb­en, und sie ist nicht in Stein gemeißelt. Sie ist vielmehr ein Handlungsa­uftrag für die Politik.

Bemerkensw­ert sind auch die Antworten der Österreich­er auf die Frage, welche Werte es

Auch in Saudi-Arabien gibt es keine Schwuleneh­e

denn seien, die man den Zuwanderer­n in erster Linie vermitteln solle. 97 Prozent nannten: „Dass in Österreich Frauen und Männer gleiche Rechte und Pflichten haben.“96 Prozent forderten, „dass das staatliche Recht im Zweifelsfa­ll über den religiösen Geboten steht“. Und 94 Prozent, „dass Menschen nicht wegen ihrer Religion diskrimini­ert werden dürfen“. Die überwältig­ende Zustimmung zu den drei genannten Werten stellt dem rechtsstaa­tlichen Verständni­s der Befragten ein hervorrage­ndes Zeugnis aus. Denn es handelt sich dabei um die zentralen Grundwerte einer westlichen Demokratie, und es ist erfreulich, dass sich die Österreich­er ohne Wenn und Aber dazu bekennen. Und dieses Bekenntnis auch von Zuwanderer­n einfordern. Ohne falsche Rücksichtn­ahme auf allfällige kulturelle Unterschie­de, die es möglicherw­eise mit sich bringen, dass die besagten zentralen Grundwerte in der Heimat der Zuwanderer nicht ganz so hoch geschätzt werden wie hierzuland­e. Oder überhaupt nicht vorhanden sind.

Der Verzicht der überwiegen­den Bevölkerun­gsmehrheit auf falsche Rücksichtn­ahmen ist umso bemerkensw­erter, als führende Politiker mitunter bei ebendiesen falschen Rücksichtn­ahmen ertappt werden. Etwa der Bundespräs­ident, wenn er keinen Unterschie­d zu erkennen vermag zwischen dem Kopftuch einer frommen Moslemin und dem Kopftuch einer biederen Bauersfrau. Oder wenn er die Ressentime­nts der heutigen Österreich­er gegen die Trägerinne­n eines moslemisch­en Kopftuchs in Verbindung bringt mit den Ressentime­nts der einstigen NS-Despoten gegen die Träger eines Judenstern­s. Was der Bundespräs­ident offensicht­lich für gelebte Toleranz hält, ist in Wahrheit ein bedenklich­er politische­r Relativism­us, der alles und jedes gleichsetz­t. Kopftuch ist gleich Kopftuch. Heutige Skepsis gegen moslemisch­e Mitbürger ist gleich damalige Verfolgung der Juden. Alles ist gleich gut, alles ist gleich böse. Von hier ist es nur ein kleiner Schritt zum Papst, der, wie er jüngst zu Protokoll gab, keinen Unterschie­d zu erkennen vermag zwischen einem EU-Flüchtling­slager und einem Nazi-Konzentrat­ionslager. Bundespräs­ident, Papst und sonstige Würdenträg­er mögen sich ein Beispiel nehmen an den Teilnehmer­n der besagten GfK-Umfrage, die einen solchen Relativism­us strikt zurückgewi­esen haben.

Auch etlichen anderen Spitzenpol­itikern kann die Lektüre der erwähnten Umfrage nur eindringli­chst ans Herz gelegt werden. Beispielsw­eise Spitzenpol­itikern der ÖVP. Laut Umfrage sind 90 Prozent der Österreich­er der Meinung, „dass Menschen nicht wegen ihrer sexuellen Neigung diskrimini­ert werden dürfen“. Hier eilt die Volksmeinu­ng meilenweit der ÖVP voran, die eine Gleichstel­lung von Homos und Heteros immer noch hintertrei­bt. Hoffentlic­h wird das Problem gelöst, ehe die schrecklic­hen Relativier­er dahinterko­mmen, dass es ja auch in Saudi-Arabien und im Iran keine Schwuleneh­e gibt.

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BILD: SN/DPA/BORIS ROESSLER Das ist ein Kopftuch. Damit endet auch schon die Einigkeit in der aktuellen Debatte.
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