Redliche Holzfäller scheitern in den Netzen
Der Versuch einer Aktualisierung macht aus „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“auch nicht mehr als ein Museumsstück.
Vom Verstand her ist die Botschaft von „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“, wie ihn Bert Brecht und Kurt Weill 1930 vorgezeigt haben, begreifbar: Geld regiert die Welt. Drei Gauner beschließen auf der Flucht, in der Wüste eine Stadt zu gründen. Wer Geld hat, darf sich dort alles erlauben, und wer keins hat, muss eben daran glauben. Wie Jim Mahoney, der Holzfäller aus Alaska, der zwar nach dem Motto lebt: Nichts ist verboten, alles käuflich – aber wegen Zechprellerei an den Galgen geliefert wird, während ein Mörder sich freikaufen kann.
Ja, so ein Zeigefingertheater von anno dazumal hat schon einen moralischen Appell, und wir Theaterbesucher nicken ihn ohnedies brav ab. Immer noch ist der Raubtier-Kapitalismus ja im Schwange, Finanzkrisen hin oder her, und wenn sogar ein ahnungsloser Milliardär eine Weltmacht führen kann . . .
Aber warum lässt dann ein vermeintlich so aktueller Stoff so kalt, als wäre er schon jahrzehntelang tot? Dabei verwandelt das Salzburger Landestheater für seine jüngste Opernpremiere die „Netzestadt“Mahagonny ohnehin kurzerhand in eine „Internet-Stadt“(ja, eh, das neue Gold liegt in den Neuen Medien), also schweben Clouds und Twitter-Vöglein samt Botschaften und alle anderen Symbole der schönen neuen Medienwelt wie weiland Brechts Schautafeln über der Bühne (Eva Musil), und Jim wird am Smartphone gekreuzigt. Kostüm-„Sammlerin“Bettina Richter spart weder an Glitzerjacketts, Mini, Lack und Leder noch an Holzfällerhemden.
Vielleicht liegt’s ja an der Musik? Kurt Weills hintersinnige Partitur freilich sollte zünden, kann es aber nicht, wenn sie nur so rechtschaffen und bieder ausgeführt wird wie unter der Leitung von Adrian Kelly. Er meistert das Stück nicht, sondern kapellmeistert es nur, obwohl das Mozarteumorchester durchaus anspornend spielt.
Kein Funke kommt auch von der statischen, rampennah und keusch vorgeführten Zeige-Regie Jacopo Spireis, und selbst wer nach Kräften markant singt wie Franz Supper als Jim und seine Kumpane (Raimundas Juzuitis, Paul Curievici, Elliott Carlton Hines) oder populäre Songs wie den Mond von Alabama so treffend serviert wie Laura Nicorescu hat es schwer, „Stimmung“zu verbreiten. Denn „Gefühl“ist bei Brecht/Weill ja ohnehin weniger angesagt. Und so sitzen wir also da und schauen trotz aller modischen Geschäftigkeit vor uns auf ein Museumsstück. Gute Nacht, Herr Brecht, schade, Herr Weill.