Und sie bewegt sich doch!
Stillstand gibt es in den Werken der Ausstellung „Foto Kinetik“nicht. Bei manchen muss man nur lang genug schauen.
SALZBURG. Die Geste wirkt eingefroren, der Blick professionell unterkühlt. Aber wer das Model lang genug betrachtet, das in der Lichtbildinstallation „1991“von der Leinwand schaut, kann kleine Bewegungen erkennen. Lang genug? Das bedeutet in diesem Fall, dass man sich mindestens zwei, im Idealfall 24 Tage Zeit nehmen sollte. In der Arbeit von Mathias Poledna und Karthik Pandian, die Teil der aktuellen Ausstellung im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg ist, geht es um extreme Entschleunigung. Mit einer Filmkamera hielten die Künstler ihr Modell fest. Dann nutzten sie den Umstand, dass sich jede Filmsekunde in 24 Einzelbilder sezieren lässt: Auf der Leinwand ist nun 24 Tage lang jeden Tag ein anderer Teil dieser Filmsekunde zu sehen. „Wenn man genau hinsieht, kann man etwa eine Bewegung der Finger nachvollziehen“, sagte Kuratorin Antonia Lotz am Freitag beim Presserundgang.
Bewegung, Licht und Körper sind die verbindenden Themen zwischen den Werken der Schau „Foto Kinetik“. Sie gehört zur Reihe der Sammlungspräsentationen, in denen das Museum seine Bestände (also die Sammlung der Generali Foundation, die Sammlung Fotografis sowie die hauseigenen Sammlungen) unter wechselnden Aspekten beleuchtet. Der aktuelle Zugang habe sich „auch durch aktuelle Ankäufe entwickelt“, sagte Direktorin Sabine Breitwieser.
Ein 2016 entstandenes Mobile von Dorit Margreiter gehört zu den jüngsten Arbeiten der Ausstellung, ebenso wie die filigranen „Etüden“und „Konstellationen“von Ulrike Lienbacher.
Die Frage, wer sich bewegen muss, um das Werk zu erfassen, führt zu verschiedensten Antworten: Simone Fortis Werk „Huddle“ist zum einen eine Performanceanleitung, bei der sich die Tänzer dicht aneinanderdrängen. In einem Video ist eine Salzburger Aufführung von 2014 dokumentiert. Im Museum ist aber auch ein zylinderförmiges Hologramm zu sehen, in dem Forti ihre Körperskulptur festgehalten hat: Wer sie sehen will, muss um den Zylinder spazieren.
Lichtkünstlerin Brigitte Kowanz, die heuer den Österreich-Pavillon in Venedig mit Erwin Wurm gestaltet, ist in Salzburg mit früheren Licht-Objekten vertreten. Historisch reicht der erhellend gestaltete Blick auf Kunst, die mit Licht und Bewegung arbeitet, bis zu frühen Serienfotografien, die Ende des 19. Jahrhunderts erste detaillierte Bewegungsstudien erlaubten.
Einen eigenen Raum hat Breitwieser in der Schau dem im März verstorbenen Gustav Metzger gewidmet. Sein Lebenswerk wirkt nur deshalb bescheiden, weil er die Zerstörungstendenzen in der Welt phasenweise mit einer Idee der „autodestruktiven Kunst“spiegelte, also Werken, die sich selbst zerstören.
Eher in seine Phase einer sich selbst erschaffenden (autokreativen) Kunst gehört sein „Tropfen auf heißer Platte“. Aus einem Infusionsschlauch tröpfelt Wasser auf eine Herdplatte, deren Temperatur so eingestellt ist, dass ein Tropfen stetig auf dem Herd tanzt: Im Museum bleibt alles in Bewegung.