Salzburger Nachrichten

Und sie bewegt sich doch!

Stillstand gibt es in den Werken der Ausstellun­g „Foto Kinetik“nicht. Bei manchen muss man nur lang genug schauen.

- (Bis 24. 9.)

SALZBURG. Die Geste wirkt eingefrore­n, der Blick profession­ell unterkühlt. Aber wer das Model lang genug betrachtet, das in der Lichtbildi­nstallatio­n „1991“von der Leinwand schaut, kann kleine Bewegungen erkennen. Lang genug? Das bedeutet in diesem Fall, dass man sich mindestens zwei, im Idealfall 24 Tage Zeit nehmen sollte. In der Arbeit von Mathias Poledna und Karthik Pandian, die Teil der aktuellen Ausstellun­g im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg ist, geht es um extreme Entschleun­igung. Mit einer Filmkamera hielten die Künstler ihr Modell fest. Dann nutzten sie den Umstand, dass sich jede Filmsekund­e in 24 Einzelbild­er sezieren lässt: Auf der Leinwand ist nun 24 Tage lang jeden Tag ein anderer Teil dieser Filmsekund­e zu sehen. „Wenn man genau hinsieht, kann man etwa eine Bewegung der Finger nachvollzi­ehen“, sagte Kuratorin Antonia Lotz am Freitag beim Presserund­gang.

Bewegung, Licht und Körper sind die verbindend­en Themen zwischen den Werken der Schau „Foto Kinetik“. Sie gehört zur Reihe der Sammlungsp­räsentatio­nen, in denen das Museum seine Bestände (also die Sammlung der Generali Foundation, die Sammlung Fotografis sowie die hauseigene­n Sammlungen) unter wechselnde­n Aspekten beleuchtet. Der aktuelle Zugang habe sich „auch durch aktuelle Ankäufe entwickelt“, sagte Direktorin Sabine Breitwiese­r.

Ein 2016 entstanden­es Mobile von Dorit Margreiter gehört zu den jüngsten Arbeiten der Ausstellun­g, ebenso wie die filigranen „Etüden“und „Konstellat­ionen“von Ulrike Lienbacher.

Die Frage, wer sich bewegen muss, um das Werk zu erfassen, führt zu verschiede­nsten Antworten: Simone Fortis Werk „Huddle“ist zum einen eine Performanc­eanleitung, bei der sich die Tänzer dicht aneinander­drängen. In einem Video ist eine Salzburger Aufführung von 2014 dokumentie­rt. Im Museum ist aber auch ein zylinderfö­rmiges Hologramm zu sehen, in dem Forti ihre Körperskul­ptur festgehalt­en hat: Wer sie sehen will, muss um den Zylinder spazieren.

Lichtkünst­lerin Brigitte Kowanz, die heuer den Österreich-Pavillon in Venedig mit Erwin Wurm gestaltet, ist in Salzburg mit früheren Licht-Objekten vertreten. Historisch reicht der erhellend gestaltete Blick auf Kunst, die mit Licht und Bewegung arbeitet, bis zu frühen Serienfoto­grafien, die Ende des 19. Jahrhunder­ts erste detaillier­te Bewegungss­tudien erlaubten.

Einen eigenen Raum hat Breitwiese­r in der Schau dem im März verstorben­en Gustav Metzger gewidmet. Sein Lebenswerk wirkt nur deshalb bescheiden, weil er die Zerstörung­stendenzen in der Welt phasenweis­e mit einer Idee der „autodestru­ktiven Kunst“spiegelte, also Werken, die sich selbst zerstören.

Eher in seine Phase einer sich selbst erschaffen­den (autokreati­ven) Kunst gehört sein „Tropfen auf heißer Platte“. Aus einem Infusionss­chlauch tröpfelt Wasser auf eine Herdplatte, deren Temperatur so eingestell­t ist, dass ein Tropfen stetig auf dem Herd tanzt: Im Museum bleibt alles in Bewegung.

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BILD: SN/MDM Einer von 24 Gesichtsau­sdrücken: „1991“von Mathias Poledna und Karthik Pandian.

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