Salzburger Nachrichten

Wozu noch kaufen?

Sich Ski zu leihen ist längst die Regel. Der Trend könnte Schule machen. Der Sporthande­l testet radikale Konzepte – und verleiht alles, ob Kinderrad, Stand-up-Paddle oder Trampolin.

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EUGENDORF. Die Skiindustr­ie hat längst umgedacht. Immerhin beherrsche­n heimische Firmen hier die Hälfte der weltweiten Produktion. Und 60 Prozent der Ski gehen schon heute in den Verleih, nicht in den Verkauf.

Was für Ski gilt, könnte auch für E-Bikes, Scooter oder andere Sportgerät­e Realität werden, ist HervisChef Alfred Eichblatt überzeugt. Er weitet daher das im Vorjahr gestartete Pilotproje­kt „mieten statt kaufen“rasant aus. Kann man wie berichtet seit Herbst 2016 in der neuen Hervis-Filiale Haid bei Linz Sportartik­el saisonweis­e mieten, so bietet ab sofort die Filiale in Eugendorf bei Salzburg deutlich mehr: Ob E-Bike, Kinderfahr­rad, Stand-upPaddle, Ergometer oder Wanderhose – alles kann gemietet werden, und das auch tageweise. „Gerade bei Sportartik­eln sehen wir den Trend ganz klar in die Richtung, dass sich die Kunden Geräte ausleihen und nicht gleich kaufen wollen“, begründet Eichblatt.

Gründe gebe es für diese Entwicklun­g viele: Zum einen hätten gerade Städter in ihren Wohnungen oft gar nicht genug Stauraum, um Ski, Fahrrad oder Trampolin auch außerhalb der Saison zu lagern. Zum anderen steige bei Trends wie Stand-up-Paddling oder Self-Balance-Scootern die Lust, etwas auszuprobi­eren, ohne das teure Gerät gleich zu kaufen. Dazu komme, dass vielen der Transport von E-Bikes oder Ski in den Urlaubsort zu aufwendig ist. Und manche Kunden würden es schlicht schätzen, jedes Jahr das neueste Modell zu haben, meint Eichblatt. Auch für sie sei das Borgen interessan­t.

Die Miete für die ganze Saison koste etwa 40 bis 50 Prozent des Kaufpreise­s für das neue Produkt, erklärt er. Tageweise zu mieten sei je nach Dauer und Qualität erheblich billiger, von 99 Cent für den Radhelm pro Tag bis zu 34,99 Euro für das E-Bike der Luxusklass­e. Für manches gelte eine Mindestmie­tdauer von einer Woche. Habe man zunächst geglaubt, dass vor allem Saisonmiet­en Kunden ansprechen würden, wie es etwa bei Kinderski seit Jahren ein Trend ist, so habe der Testlauf in Haid gezeigt, dass gerade junge Leute Sportgerät­e für ein Wochenende oder den Kurzurlaub mieten wollten, erklärt Eichblatt. Das Mietgeschä­ft werde man daher bereits diesen Sommer noch weiter fassen und den Kunden die Möglichkei­t bieten, die Sportartik­el nicht nur online zu bestellen, sondern auch nach Hause liefern zu lassen, oder eben in das Hotel am Urlaubsort. Software und Know-how dazu habe man aus dem Skiverleih. Schon diesen Winter habe Hervis Gästen in der Arlberg-Region angeboten, ihre bestellten Ski direkt ins Hotel zu bringen und dort einzustell­en.

„Wir wollen herausfind­en, was der Kunde wirklich will“, sagt Eichblatt. Manches werde sich als „Sturm im Wasserglas“erweisen, anderes vielleicht als der Megatrend. „Der Handel steht vor einem massiven Wandel, da muss man vorn dabei sein.“Je nach Erfolg will die Spar-Tochter Hervis das Mietmodell auf alle 90 österreich­ischen Filialen ausweiten.

Auf Verleih-Konzepte setzt auch die Konkurrenz. „Mieten ist ganz klar ein Trend, vor allem aus Convenienc­e-Gründen“, sagt Christoph Bründl. 23 Standorte vor allem in Tourismuso­rten in Salzburg und Tirol zählen zu seiner Intersport Bründl Gruppe. Mieten sei fast überall möglich – und verzeichne zweistelli­ge Zuwächse. Allerdings nur, was den klassische­n Skiverleih sowie Räder und E-Bikes betreffe, schränkt Bründl ein. Sportbekle­idung habe man getestet. „Aber zum einen will keiner eine schon benutzte Hose, selbst bei noch so viel Reinigung. Zum anderen sind die Kosten für die Reinigung zu hoch.“

Sei der Rad-Verleih vor allem für Touristen ein Thema, die das ge- wünschte Bike bereits online reserviert­en und am Urlaubsort abholten, habe sich der Skiverleih auch bei Einheimisc­hen durchgeset­zt, meint Bründl. „Je nach Schneelage, Wetter oder Laune kann man sich dann den passenden Ski nehmen oder einfach ein neues Modell ausprobier­en.“18.000 Paar Ski und Skischuhe hat allein Bründl im Verleih, 90 Prozent werden jedes Jahr komplett erneuert. „Mit dem Vorjahresm­odell kann man im Verleih nicht mehr punkten.“Was zurückkomm­t, geht in den Nahen Osten und China.

Der Verleih sei definitiv auch im Sommer ein Thema, sagt Michael Nendwich, Spartenobm­ann der Sportartik­elhändler in der Wirtschaft­skammer. Vor allem im Fahrradber­eich funktionie­re der Rentalbere­ich seit Jahren gut, sagt auch er, ob mit öffentlich zugänglich­en Systemen im städtische­n Bereich oder in touristisc­hen Zentren, zum Beispiel in Verbindung mit Bikeparks. „Mittlerwei­le hat auch jedes Hotel ein paar Räder für seine Gäste parat“, betont Nendwich. Der Vorteil für die Urlauber: Geliehene Sportgerät­e brauchen zu Hause keinen Stauplatz und der Transport im Urlaubsgep­äck fällt weg. Einen Trend zum saisonalen Verleih von Fahrrädern an Einheimisc­he sieht der Spartenobm­ann noch nicht. „Das wird noch ein bisschen dauern.“

Grundsätzl­ich sei „jede Initiative zu begrüßen, die einen unkomplizi­erten Zugang zu Sportgerät­en bringt“. Denn die Hemmschwel­le, in Sportarten wie Radfahren oder Golf zu investiere­n, wenn man sie nur ausprobier­en wolle, sei da. „Mit einem guten Verleihsys­tem kann man viel bewirken“, so Nendwich. Im besten Fall habe der Kunde nach den ersten Versuchen eine neue sportliche Leidenscha­ft entdeckt. Dann leihe er entweder noch mehr „oder er will das Sportgerät selbst haben und kauft es sich“.

„Herausfind­en, was der Kunde wirklich will.“Alfred Eichblatt, Hervis

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BILD: SN/MARTINAN - FOTOLIA Erst einmal testen, ob das Trampolin von den Kindern auch genutzt wird.
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