Für die Experten ist die Fußfessel eine Erfolgsgeschichte
In Salzburg wurde bisher 265 Tätern die Verbüßung ihrer Haft im Hausarrest erlaubt. Vorteile der Fußfessel: Täter behalten ihre Jobs, sie bleiben bei der Familie und die Justiz spart sich Geld.
SALZBURG. Oberst Dietmar Knebel war erst wenige Wochen neuer Leiter der Salzburger Justizanstalt, damals noch in der Schanzlgasse in Salzburg-Nonntal, als er am 15. September 2010 zu einer Österreich-Premiere schritt:
„Sein“Gefängnis – konkret er als dessen Leiter – hatte den bundesweit ersten Antrag eines Häftlings auf eine Fußfessel genehmigt. Der wegen eines Vermögensdelikts zu einem Jahr Gefängnis verurteilte Häftling konnte die letzten drei Monate seiner Haftzeit mit einer Fußfessel, offiziell: im „elektronisch überwachten Hausarrest“(EüH), verbüßen. Am 1. September 2010 war die Fußfessel als Haft-Alternative zum herkömmlichen Strafvollzug gesetzlich verankert worden – unter der damaligen Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, die ihre Jugend im Lungau verbrachte.
Entlastung für die vollen Gefängnisse, Kostenersparnis im Strafvollzug, Vorteile für die Resozialisierung von Tätern – vor allem, weil man sie nicht aus ihrem sozialen Umfeld reißt: Dies versprach sich das Justizministerium mit der neuen Haftform. Verurteilte Straftäter oder – im sehr seltenen Fall – U-Häftlinge, die maximal ein Jahr unbedingte Haft erhalten oder noch höchstens ein Jahr Reststrafe zu verbüßen haben, können seither unter bestimmten Bedingungen die Fußfessel beantragen. Bis zum Stichtag 1. April 2017, also in gut sechseinhalb Jahren, verbüßten österreichweit nicht weniger als rund 4150 Täter ihre Haft im Hausarrest. In Salzburg waren es immerhin 265. Die durchschnittliche Verweildauer pro Täter im Hausarrest betrug 133 Tage.
Die Voraussetzungen, mit einer Fußfessel – also einem am Bein angebrachten Peilsender, der wie eine etwas überdimensionierte Armbanduhr aussieht – die Haftzeit zu Hause zu verbringen, sind streng. Der Antragsteller muss einen festen Wohnsitz und einen Job haben, die Familie oder Mitbewohner müssen einverstanden sein, zudem dürfen keine Suchterkrankungen oder ein Risiko in Richtung häuslicher Gewalt vorliegen.
Mit Stand Ende April waren in Salzburg 13 Straftäter im elektronisch überwachten Hausarrest, bundesweit waren es rund 335. Dietmar Knebel, Chef des Salzburger Gefängnisses, das seit Sommer 2015 mit 227 Haftplätzen in einem hochmodernen Bau in Puch-Urstein beheimatet ist, bezeichnet die Fußfessel als „Erfolgsgeschichte“. Ebenso wie Johannes Bernegger, der Leiter des Salzburger Standorts des Täterund Opferhilfevereins Neustart.
Die Betreuung von Fußfesselträgern wird von Neustart durchgeführt. Wird einem entsprechenden Antrag von der jeweiligen Justizanstalt zugestimmt, erstellen Sozialarbeiter des Vereins für jeden Klienten ein individuelles Aufsichtsprofil. Damit wird genau geregelt, wann der jeweilige Fußfesselträger das Haus oder die Wohnung verlassen darf. Prinzipiell darf er dies nur für seine Zeit in der Arbeit samt Hin-
„Die Fußfessel vermeidet den Ausschluss aus der Gesellschaft.“Johannes Bernegger, Neustart
„Rund 70 bis 80 Prozent der Anträge werden genehmigt.“Dietmar Knebel, Justizanstalt Sbg.
und Rückfahrt – neben fixen Zeitvorgaben für Einkäufe, Behördengänge, Arztbesuche.
In Salzburg hat Knebel im Vorjahr 25 Anträge genehmigt, fünf lehnte er mangels Vorliegen der Voraussetzungen ab. 2013 etwa waren es 38 positiv beschiedene Anträge. „Für mich ist die Fußfessel eine sehr sinnvolle Haftform, weil die Täter nicht aus dem sozialen Umfeld herausgenommen werden. Sie bleiben bei ihrer Familie und im Arbeitsprozess.“
Neustart-Leiter Bernegger verweist darauf, dass der überwachte Hausarrest für die Täter „nicht selten psychisch ziemlich belastend ist. Die Leute tragen rund um die Uhr dieses Ding am Bein und müssen einen immer neu abgestimmten Wochenplan einhalten, der exakt regelt, wann sie die Wohnung verlassen dürfen. Dazu gilt prinzipiell Alkoholverbot.“
Die Fußfessel, ergänzt Bernegger, schaffe somit „quasi einen Arrest in Eigenverantwortung“. Die Leute müssten „sehr selbstständig handeln, sich um alles kümmern und vieles beachten“. Apropos Druck: Es gebe immer wieder Fußfesselträger, die freiwillig wieder ins Gefängnis zurückgehen, so der Neustart-Chef.
Eine Erfolgsgeschichte sei die Fußfessel den beiden Experten zufolge auch deshalb, weil diese bundesweit nur rund acht Prozent der Träger wieder entzogen werden musste. Knebel: „In Salzburg waren es sogar nur rund sechs Prozent. Und die Leute müssen dann zum allergrößten Teil nicht deshalb ins Gefängnis oder in dieses zurück, weil sie während des Hausarrests eine Straftat begehen oder gegen das Aufsichtsprofil verstoßen. Das passiert kaum. Die Hauptgründe für einen Widerruf sind vielmehr der Verlust des Jobs, der Wohnung oder ein Verstoß gegen das Alkoholverbot.“
Fix ist: Die Fußfessel erspart auch beträchtliche Kosten. So kostet ein Tag im Gefängnis pro Häftling durchschnittlich 120 bis 130 Euro. Laut Justizministerium sind es bei der Fußfessel nur etwa 20 Euro. Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) plant übrigens, künftig auch Tätern die Fußfessel zu ermöglichen, die nicht nur maximal zwölf, sondern 18 Monate Haft bzw. Reststrafe zu verbüßen haben.