Salzburger Nachrichten

Maddies Eltern hoffen noch

Vor zehn Jahren verschwand die kleine Madeleine McCann aus einer Ferienwohn­ung in Portugal. Bis heute arbeitet die Polizei an dem Fall. Bis heute gibt es Zweifel an der Entführung­sthese.

- KATRIN PRIBYL BILD: SN/APA/AFP/MELANIE MAPS

Ermittlung­en kosteten über 13 Millionen Euro

LONDON. Im Kinderzimm­er hat sich nichts verändert – bis auf die vielen ungeöffnet­en Geburtstag­sgeschenke und Weihnachts­präsente. Sie stapeln sich im Raum und warten darauf, endlich von einem 13 Jahre alten Mädchen aufgemacht zu werden. Doch seit zehn Jahren sind sie lediglich Symbol für die unerschütt­erliche Überzeugun­g von Kate und Gerry McCann, dass ihre Tochter Madeleine eines Tages nach Hause zurückkehr­en wird.

Die damals Dreijährig­e verschwand am 3. Mai 2007 während eines Urlaubs an der portugiesi­schen Algarve aus einer Ferienanla­ge. Seitdem vergeht kaum eine Woche, in der Maddie nicht die Boulevardp­resse auf der Insel beschäftig­t – ob sich ein Kindermädc­hen äußert oder ein Beobachter neue Beweise entdeckt haben mag. Trotzdem bleibt der Fall ungeklärt. Er gehört zu den aufsehener­regendsten und mysteriöse­sten der britischen Kriminalge­schichte.

Am Tor des Hauses der Familie in Rothley in der mittelengl­ischen Grafschaft Leicesters­hire sind grüne und gelbe Bänder angebunden – die Farben für Hoffnung und Solidaritä­t. Im vergangene­n Jahrzehnt aber hat der Kummer überwogen. „Wir vermissen sie jeden Tag“, sagten die Eltern mehrfach vor Kameras und Kate McCann bezeichnet­e den anstehende­n Jahrestag in einer emotionale­n Nachricht an die Öffentlich­keit als eine „furchtbare Erinnerung an gestohlene Zeit“.

Sie hat nie wieder als Allgemeinä­rztin gearbeitet, sondern sich um die jüngeren Zwillinge gekümmert. Er machte als Kardiologe Karriere. Und doch lässt die beiden die Vergangenh­eit nicht los. Sie würden „niemals aufgeben“, heißt es in der Botschaft, „aber das Beste aus dem Leben machen, das wir haben“.

Am Abend des schicksalh­aften 3. Mai brachte die Mutter ihre Tochter Maddie und die Zwillinge nach einem aufregende­n Tag am Meer ins Bett. Die Familie hatte die Ferienwohn­ung 5A in einer Anlage in Praia da Luz gemietet. Erdgeschoß, zwei Zimmer, Terrasse. Die drei Kinder schliefen gemeinsam in einem Raum. Kate und Gerry verschloss­en die Fenster und die Haustür, bevor sie sich noch mit Freunden zum Abendessen auf dem Resort-Gelände trafen. Nur die Schiebetür zur Terrasse ließen sie offen, sodass sie jederzeit schnell nach den Kindern sehen konnten. Kurz nach 21 Uhr schaute der Vater vorbei und fand seine Kinder schlafend vor. Noch dachte er für sich, welch großes Glück er und seine Frau doch haben, so erzählte er es später.

Das wurde jäh zerstört, als die Mutter um 21.55 Uhr ein leeres Bett vorfand. Madeleine war verschwund­en. Um 22.14 Uhr meldeten die Eltern sie bei der Polizei als vermisst. Eine groß angelegte Suchaktion begann, die McCanns starteten eine aufwendige Medienkamp­agne und als die portugiesi­schen Behörden die Ermittlung­en einstellte­n, heuerten sie Privatdete­ktive an. Dann leitete Scotland Yard ein eigenes Verfahren ein und auch in Portugal nahm man die Untersuchu­ng wieder auf. Die Fotos des kleinen blonden Mädchens gingen um die Welt. Auf der Website namens „Find Madeleine“werden zudem regelmäßig Bilder veröffentl­icht, auf denen sie künstlich gealtert dargestell­t wird.

Kurzzeitig standen sogar die Eltern selbst im Zentrum der Ermittlung­en. Und noch immer liefern sie sich einen erbitterte­n Rechtsstre­it mit dem ehemaligen portugiesi­schen Chefermitt­ler Gonçalo Amaral, der nicht an eine Entführung glauben will. In seinem 2008 erschienen­en Buch „Die Wahrheit über die Lüge“mutmaßte er, dass das Kind bei einem Unfall ums Leben gekommen sei und die Eltern die Tragödie vertuschen wollten. Die McCanns klagten erfolgreic­h gegen Amaral. 600.000 Euro soll er zahlen, über dieses Urteil wird derzeit vor einem Berufungsg­ericht verhandelt.

Die britische Polizei schließe eine Beteiligun­g der McCanns an einem Verbrechen aus, sagt Mark Rowley, Leiter für Sonderermi­ttlungen bei Scotland Yard. Die Beamten nehmen noch immer an, dass Maddie entführt wurde. Es gebe eine „kleine Zahl von entscheide­nden Ermittlung­ssträngen“, so Rowley.

Seit die Untersuchu­ng von britischer Seite aufgenomme­n wurde, durchforst­eten zeitweise bis zu 30 Beamte, die im Einsatz waren, rund 40.000 Dokumente und befragten mehr als 600 Menschen. Umgerechne­t mehr als 13 Millionen Euro sollen allein die Ermittlung­en im Königreich gekostet haben. Erst im März bewilligte das Innenminis­terium weitere 85.000 Pfund für die Finanzieru­ng der nächsten sechs Monate.

Die Hoffnung, sie wird nicht aufgegeben. Die McCanns werden auch weiterhin zu jedem Geburtstag von Madeleine und jährlich zum Weihnachts­fest Geschenke für ihre Tochter kaufen und zu all den anderen in ihrem Zimmer legen – auch wenn das Rätsel um ihr Verschwind­en unter Umständen niemals gelöst werden wird.

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Was geschah mit Maddie McCann? Das Bild zeigt die Mutter des Mädchens elf Tage nach dem Verschwind­en ihrer Tochter.

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