Gentechnik und die Versuchung des Populismus
Wenige Themen sind so emotional wie unser Essen. Sind die Marktkräfte langfristig für oder doch gegen die Gentechnik?
Im April 1997 fand in Österreich das GentechnikVolksbegehren statt. Ziel war, Produktion und Verkauf gentechnisch veränderter Nahrungsmittel in Österreich ebenso zu verbieten wie die Freisetzung genmanipulierter Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen und ein Verbot eines Patents auf Leben. Wenn dieser Tage viele den Erfolg des Volksbegehrens gegen Gentechnik würdigen – mit 1,22 Millionen Unterschriften war es das zweiterfolgreichste hinter jenem gegen das Konferenzzentrum –, so ist das berechtigt. Wie jeder Erfolg hat auch dieser viele Väter. Und bis heute ist die starke Ablehnung der Gentechnik in Österreich ein starker nationaler Konsens.
Wenn dieser Tage die Vertreter sämtlicher Parteien, Umweltschutzorganisationen, der Lebensmittelhandel, Bauernvertreter und Einzelkämpfer der ersten Stunde einander stolz auf die Schultern klopfen und sich zu Recht über das Image Österreichs als „Feinkostladen Europas“freuen, kann man das nachempfinden. Es hat aber auch etwas von einem Dogma, an dem man besser nicht rührt, vergleichbar mit der Neutralität und der Ablehnung der Atomkraft.
Um nicht der Versuchung der Selbstzufriedenheit zu erliegen, ist es daher angebracht, auch einen zweiten Blick auf die Dinge zu richten, samt dem Risiko, damit am Lack der idealisierten Vorstellung zu kratzen, dass hier vor 20 Jahren aufgeklärte Verbraucher nach reiflicher nüchterner Abwägung aller Fakten heldenhaft gegen eine böse Agrarindustrielobby aufgestanden sind und als Belohnung dafür heute in einem Garten Eden 2.0 leben dürfen.
So ist daran zu erinnern, dass zur Zeit des Volksbegehrens von Schulterschluss keine Rede war, die Stimmung im Land war höchst aufgeheizt, nicht wenige stimmten aus Sorge vor „Frankenstein-Lebensmitteln“gegen „das böse Gen“. Österreich ist bis heute nicht gänzlich gentechnikfrei, denn genmanipulierte Futtermittel sind weiter im Einsatz, vor allem in der Schweinemast. Und offen ist wohl auch, wie sich „der Markt“künftig in dieser Sache positionieren wird. Auf der einen Seite stehen die Beteuerungen des Einzelhandels, er würde selbstverständlich weiter auf Gentechnik verzichten, solange die Verbraucher dies wünschten. Auf der anderen Seite steht die Sorge vor einer Agrarindustrie, die über internationale Schiedsgerichte Gentech-Verbote als Handelshemmnisse aushebeln könnte.
Unter dem Strich bleibt berechtigter Stolz auf Erreichtes. Aber auch der Wunsch nach sachlicher Diskussion und Information statt billiger Populismus.