In Russland blüht die Schattenwirtschaft
Es ist ein altes Moskauer Problem: Wer kann, arbeitet am Staat vorbei.
Auf den ersten Blick wirkt der Hinterhof eines Wohnhauses nahe des Nevski Prospekts im Zentrum von St. Petersburg verlassen. Wagt man sich aber durch zwei Eisentüren weiter ins Innere des Gebäudes vor und klopft man an der Wohnungstür drei, wird man freundlich begrüßt und ins Wohnzimmer gebeten.
Was auf den ersten Blick wie eine normale Altbauwohnung mit äußerst gastfreundlichen Bewohnern scheint, ist eines der illegalen Restaurants im Herzen der Stadt. Restaurant im herkömmlichen Sinn sei man aber keines, versichert eine junge Studentin, die sich hier gemeinsam mit Freunden ihre Kassa aufbessert. Vielmehr sei die Wohnung ein „Platz für Freunde“, wo man sich gern trifft und sich bei den bereits stadtbekannten Falafeln und einer Tasse schwarzen Tees austauscht. Bezahlt wird aber trotzdem, jedoch ohne Rechnung.
Wie das Kollektiv in St. Petersburg haben sich Millionen Russen für die illegale Beschäftigung entschieden. Tischler, Mechaniker, Friseur oder auch Installateur – viele verdienen mittlerweile ihr Geld ausschließlich in der russischen Schattenwirtschaft. „Von 86 Millionen Arbeitsfähigen sind nur 48 Millionen in Sektoren tätig, die für uns sichtbar sind“, sagte bereits 2013 die russische Vizepremierministerin Olga Golodez.
Die Gründe sind vielfältig. Massenentlassungen, Pleiten, Rezession und quälende Bürokratie spielen eine Rolle. Die blühende Schattenwirtschaft erklärt zum Teil, warum aus der düsteren wirtschaftlichen Lage keine große Unzufriedenheit erwächst. Neu ist die „Garagenwirtschaft“in Russland aber nicht. Bereits in der Sowjetunion versuchten viele Russen, so die Lücken der Planwirtschaft zu füllen, und blieben in der Schattenwirtschaft hängen, wie einst bereits der Ökonom Sergej Chestanow sagte.
Präsident Wladimir Putin hat den Kampf gegen die illegale Beschäftigung als dringend bezeichnet und angekündigt, die undurchsichtigen und komplizierten Steuerund Prüfungssysteme für Kleinunternehmen zu vereinfachen, um so die „Garaschnikis“in die Legalität überzuführen. Ob er damit aber die illegale Beschäftigung im flächenmäßig größten Staat der Welt wirklich eindämmen kann, ist mehr als fraglich. Bisher sind alle Versuche, Steuern einzuheben, um die leeren Staatskassen zu füllen, gescheitert.