Ein Superzug wird zum Milliardengrab
Spanien ist bei Verkehrsinfrastruktur Europameister. Gebaut wurde oft mit EU-Subventionen – aber am Bedarf vorbei.
MADRID. Spaniens „fliegende Züge“sind ein Erlebnis. Sie sind pünktlich, unfallfrei und rasen fast lautlos mit bis zu 350 Stundenkilometern durchs Land. Die Hochgeschwindigkeitszüge heißen abgekürzt AVE (Alta Velocidad Española), das spanische Wort für Vogel, und verbinden etwa Sevilla im Süden oder Barcelona im Nordosten in nur zweieinhalb Stunden mit der Hauptstadt Madrid im Zentrum Spaniens.
Dieser Tage wird der AVE 25 Jahre alt und die Regierung nutzt die Gelegenheit, stolz hinzuweisen, dass das Land mit mehr als 3200 Schienenkilometern das größte Hochgeschwindigkeitsnetz Europas hat. Weltweit hat nur China mehr Highspeed-Bahntrassen.
Spanien ist in Sachen Verkehrsinfrastruktur Europameister, nicht nur in Hinblick auf die Superzüge. Das Autobahnnetz ist nach Kilometern größer als in jedem anderen EU-Land. Kein Staat verfügt über so viele große Verkehrsflughäfen wie Spanien, wo es mittlerweile 50 gibt.
Diese verkehrspolitische Erfolgsgeschichte hat nur einen Schönheitsfehler: Ein Großteil dieser mit milliardenschweren EU-Subventio- nen gebauten Infrastruktur wurde am Bedarf vorbeigeplant – und ist nicht rentabel.
Viele Menschen fragen sich, was sie mit den vielen Provinzflughäfen machen sollen, auf denen kaum ein Jet startet. Oder mit gähnend leeren Privatautobahnen, von denen die meisten inzwischen vor dem Konkurs stehen. Ganz zu schweigen von Geisterbahnhöfen im Hinterland, wo kaum Fahrgäste aussteigen.
Keine einzige Hochgeschwindigkeitsstrecke sei kostendeckend, sagen die Wirtschaftsprofessoren Gerard Llobet und Ginés de Rus, die Baukosten und Fahrgastaufkommen ins Verhältnis setzten. Nicht einmal die Vorzeigestrecken Madrid–Sevilla und Madrid–Barcelona. Auch der nationale Rechnungshof stellte die „wirtschaftliche Nachhaltigkeit“infrage.
Mehr als 51 Mrd. Euro investierte Spanien bisher ins AVE-Netz. Der staatliche Streckenbetreiber ADIF häuft immer mehr Schulden an und wird 2017 mit mehr als 17 Mrd. Euro in der Kreide stehen. Ein Einnahmeplus zeichnet sich allerdings nicht ab. Für viele Menschen im Spanien der großen Jobkrise und der 1000Euro-Löhne sind die AVE-Fahrkarten schlicht zu teuer.
Immer dann, wenn irgendwo im Land eine neue AVE-Strecke eröffnet wird, protestieren Bürgerinitiativen gegen die „Geldverschwendung“. Sie fordern einen „besseren Regionalverkehr statt teure Prestigeobjekte“. Spaniens Regierung, kritisieren sie, investiere den Großteil des Verkehrsetats in den AVE, der nur von einem kleinen Teil der Bahnreisenden – laut Statistik weniger als vier Prozent – genutzt werde. Für den notwendigen Ausbau des Nahverkehrs gebe es kein Geld.