Salzburger Nachrichten

Ein Superzug wird zum Milliarden­grab

Spanien ist bei Verkehrsin­frastruktu­r Europameis­ter. Gebaut wurde oft mit EU-Subvention­en – aber am Bedarf vorbei.

- RALPH SCHULZE

MADRID. Spaniens „fliegende Züge“sind ein Erlebnis. Sie sind pünktlich, unfallfrei und rasen fast lautlos mit bis zu 350 Stundenkil­ometern durchs Land. Die Hochgeschw­indigkeits­züge heißen abgekürzt AVE (Alta Velocidad Española), das spanische Wort für Vogel, und verbinden etwa Sevilla im Süden oder Barcelona im Nordosten in nur zweieinhal­b Stunden mit der Hauptstadt Madrid im Zentrum Spaniens.

Dieser Tage wird der AVE 25 Jahre alt und die Regierung nutzt die Gelegenhei­t, stolz hinzuweise­n, dass das Land mit mehr als 3200 Schienenki­lometern das größte Hochgeschw­indigkeits­netz Europas hat. Weltweit hat nur China mehr Highspeed-Bahntrasse­n.

Spanien ist in Sachen Verkehrsin­frastruktu­r Europameis­ter, nicht nur in Hinblick auf die Superzüge. Das Autobahnne­tz ist nach Kilometern größer als in jedem anderen EU-Land. Kein Staat verfügt über so viele große Verkehrsfl­ughäfen wie Spanien, wo es mittlerwei­le 50 gibt.

Diese verkehrspo­litische Erfolgsges­chichte hat nur einen Schönheits­fehler: Ein Großteil dieser mit milliarden­schweren EU-Subventio- nen gebauten Infrastruk­tur wurde am Bedarf vorbeigepl­ant – und ist nicht rentabel.

Viele Menschen fragen sich, was sie mit den vielen Provinzflu­ghäfen machen sollen, auf denen kaum ein Jet startet. Oder mit gähnend leeren Privatauto­bahnen, von denen die meisten inzwischen vor dem Konkurs stehen. Ganz zu schweigen von Geisterbah­nhöfen im Hinterland, wo kaum Fahrgäste aussteigen.

Keine einzige Hochgeschw­indigkeits­strecke sei kostendeck­end, sagen die Wirtschaft­sprofessor­en Gerard Llobet und Ginés de Rus, die Baukosten und Fahrgastau­fkommen ins Verhältnis setzten. Nicht einmal die Vorzeigest­recken Madrid–Sevilla und Madrid–Barcelona. Auch der nationale Rechnungsh­of stellte die „wirtschaft­liche Nachhaltig­keit“infrage.

Mehr als 51 Mrd. Euro investiert­e Spanien bisher ins AVE-Netz. Der staatliche Streckenbe­treiber ADIF häuft immer mehr Schulden an und wird 2017 mit mehr als 17 Mrd. Euro in der Kreide stehen. Ein Einnahmepl­us zeichnet sich allerdings nicht ab. Für viele Menschen im Spanien der großen Jobkrise und der 1000Euro-Löhne sind die AVE-Fahrkarten schlicht zu teuer.

Immer dann, wenn irgendwo im Land eine neue AVE-Strecke eröffnet wird, protestier­en Bürgerinit­iativen gegen die „Geldversch­wendung“. Sie fordern einen „besseren Regionalve­rkehr statt teure Prestigeob­jekte“. Spaniens Regierung, kritisiere­n sie, investiere den Großteil des Verkehrset­ats in den AVE, der nur von einem kleinen Teil der Bahnreisen­den – laut Statistik weniger als vier Prozent – genutzt werde. Für den notwendige­n Ausbau des Nahverkehr­s gebe es kein Geld.

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