Kokettierfetzn fürs Anbandeln
Der Tod, der muss ein Wiener sein? Auch zur Liebe in all ihren Facetten haben die Wiener ein ziemlich ausgeprägtes Verhältnis, wie das Wörterbuch „Das kleine Pantscherl“unter Beweis stellt.
WIEN, GRAZ. Wörterbücher gibt es viele. Jetzt gibt es endlich eines, das die Facetten des Liebeslebens auf Wienerisch dokumentiert. Wohlgemerkt: Da geht es nicht nur um ernsthafte Liebesg’schichten und Heiratssachen, auch um flüchtige erotische Abenteuer, um eindeutig Zweideutiges, um alle nur erdenklichen sinnlichen Genüsse im Schatten des Riesenrads. Der Titel des von Ulrike Friedrich herausgegebenen Kompendiums ist bereits vielsagend: „Das kleine Pantscherl“(Metroverlag). Pantscherl: ein wunderbar liebevolles Wort für ein (verbotenes) Verhältnis, für ein Techtelmechtel, wie unsere deutschen Nachbarn sagen würden.
Das Pantscherl hat seine Wurzeln im Französischen, „penchant“steht für Neigung. Der Wiener, schreibt Friedrich in ihrem Vorwort, wisse zu charmiern, er beherrsche den Lamourhatscher aus dem Effeff, und wenn er einmal verliebt sei oder tatkräftig ein Pantscherl anstrebe, dann gehe auch sprachlich die Post ab. Was dann auch von A bis Z, genauer gesagt von Aanserpanier (die beste Kleidung, die der Träger besitzt und die auch zum Zwecke der Anwerbung gern beim Ausgehen getragen wird) bis Zwickerbussi (Küsschen, bei dem die/der Geküsste in die Wangen gekniffen wird), unter Beweis gestellt wird. So manche Redewendung leitet sich aus dem Französischen her, als Beispiel sei etwa Agi geben (frz. „acquit“: Quittung), also die Zuneigung erwidern, genannt. Ist wiederum vom Amurl – dem Gott der Liebe – die Rede, beziehen sich die Wiener auf lateinische Vorbilder. Manches bedarf keinerlei Erklärung – etwa Begriffe wie anbandln, anspitzen oder anglahnt lassen – anderes ist vielfach bereits wieder in Vergessenheit geraten.
Ankäun etwa steht für befummeln, der Kokettierfetzn ist eine köstliche Umschreibung für das von Männern in der Sakkotasche getragene Stecktuch, und unter Schlapfenpromenad versteht man den abendlichen Spaziergang eines
Mädchens mit seinem Verehrer. Wie sich dieser Begriff herleitet? In der Vergangenheit promenierten Dienstboten allabendlich (oft in Hausschuhen) auf einem gewissen Straßenabschnitt.
So manches aus „Das kleine Pantscherl“ist nicht jugendfrei und auch hier nicht zum Abdruck geeignet. Laut Ulrike Friedrich wird der große Kosmos der Erotik und Sexualität wortkräftig bedient: „Meistens mutet der dazugehörige Wortschatz unterhaltsam und heiter an, bisweilen aber auch äußerst derb.“Vielleicht nur so viel: Das Wienerische entlehnt eine ganze Reihe an einschlägigen Begrifflichkeiten der Handwerkersprache, vom schuastern über Notnagl zum Viererziagl vulgo Partnertausch. Eine Vielzahl von Wörtern gibt es für Prostituierte: Strichkatz, Überbaa, Grabnnymphn, Privatdozentin, Pferderl, Gramml, Kron, Bordsteinschwalbe und noch viele andere mehr.
Beschränken wir uns hier also auf liebenswerte Kuriositäten im Umgang zwischen Mann und Frau. Mit Pupperlhutschn wird beispielsweise der Soziussitz auf einem Motorrad bezeichnet, als Rammelkater gilt einer, dem Qualitäten als Schürzenjäger nachgesagt werden. Ein Schmuserant wiederum ist einer, der gern und viel küsst beziehungsweise zuwischmiert die Revolvergoschn kündet von einer scharfen Zunge: „Des Pupperl hat a Revolvergoschn“bedeutet so viel wie: Diese Frau ist schlagfertig. Political Correctness ist in diesem Kontext freilich eine zu vernachlässigende Größe.
Wird ein Mann von seinem Schatzi betrogen, ist er ein Lackierter, mit Hurndiesel wird ein billiges, übel riechendes Parfum verbal gebrandmarkt. Fast schon poetisch im Vergleich dazu ist parlewudern: „De zwa parlewudern umanand, dass ma nimma wurscht ist.“Wie bitte? Ulrike Friedrich klärt auf: „Die zwei turteln so intensiv miteinander, dass es mich irritiert.“