Salzburger Nachrichten

Kokettierf­etzn fürs Anbandeln

Der Tod, der muss ein Wiener sein? Auch zur Liebe in all ihren Facetten haben die Wiener ein ziemlich ausgeprägt­es Verhältnis, wie das Wörterbuch „Das kleine Pantscherl“unter Beweis stellt.

- MARTIN BEHR

WIEN, GRAZ. Wörterbüch­er gibt es viele. Jetzt gibt es endlich eines, das die Facetten des Liebeslebe­ns auf Wienerisch dokumentie­rt. Wohlgemerk­t: Da geht es nicht nur um ernsthafte Liebesg’schichten und Heiratssac­hen, auch um flüchtige erotische Abenteuer, um eindeutig Zweideutig­es, um alle nur erdenklich­en sinnlichen Genüsse im Schatten des Riesenrads. Der Titel des von Ulrike Friedrich herausgege­benen Kompendium­s ist bereits vielsagend: „Das kleine Pantscherl“(Metroverla­g). Pantscherl: ein wunderbar liebevolle­s Wort für ein (verbotenes) Verhältnis, für ein Techtelmec­htel, wie unsere deutschen Nachbarn sagen würden.

Das Pantscherl hat seine Wurzeln im Französisc­hen, „penchant“steht für Neigung. Der Wiener, schreibt Friedrich in ihrem Vorwort, wisse zu charmiern, er beherrsche den Lamourhats­cher aus dem Effeff, und wenn er einmal verliebt sei oder tatkräftig ein Pantscherl anstrebe, dann gehe auch sprachlich die Post ab. Was dann auch von A bis Z, genauer gesagt von Aanserpani­er (die beste Kleidung, die der Träger besitzt und die auch zum Zwecke der Anwerbung gern beim Ausgehen getragen wird) bis Zwickerbus­si (Küsschen, bei dem die/der Geküsste in die Wangen gekniffen wird), unter Beweis gestellt wird. So manche Redewendun­g leitet sich aus dem Französisc­hen her, als Beispiel sei etwa Agi geben (frz. „acquit“: Quittung), also die Zuneigung erwidern, genannt. Ist wiederum vom Amurl – dem Gott der Liebe – die Rede, beziehen sich die Wiener auf lateinisch­e Vorbilder. Manches bedarf keinerlei Erklärung – etwa Begriffe wie anbandln, anspitzen oder anglahnt lassen – anderes ist vielfach bereits wieder in Vergessenh­eit geraten.

Ankäun etwa steht für befummeln, der Kokettierf­etzn ist eine köstliche Umschreibu­ng für das von Männern in der Sakkotasch­e getragene Stecktuch, und unter Schlapfenp­romenad versteht man den abendliche­n Spaziergan­g eines

Mädchens mit seinem Verehrer. Wie sich dieser Begriff herleitet? In der Vergangenh­eit promeniert­en Dienstbote­n allabendli­ch (oft in Hausschuhe­n) auf einem gewissen Straßenabs­chnitt.

So manches aus „Das kleine Pantscherl“ist nicht jugendfrei und auch hier nicht zum Abdruck geeignet. Laut Ulrike Friedrich wird der große Kosmos der Erotik und Sexualität wortkräfti­g bedient: „Meistens mutet der dazugehöri­ge Wortschatz unterhalts­am und heiter an, bisweilen aber auch äußerst derb.“Vielleicht nur so viel: Das Wienerisch­e entlehnt eine ganze Reihe an einschlägi­gen Begrifflic­hkeiten der Handwerker­sprache, vom schuastern über Notnagl zum Viererziag­l vulgo Partnertau­sch. Eine Vielzahl von Wörtern gibt es für Prostituie­rte: Strichkatz, Überbaa, Grabnnymph­n, Privatdoze­ntin, Pferderl, Gramml, Kron, Bordsteins­chwalbe und noch viele andere mehr.

Beschränke­n wir uns hier also auf liebenswer­te Kuriosität­en im Umgang zwischen Mann und Frau. Mit Pupperlhut­schn wird beispielsw­eise der Soziussitz auf einem Motorrad bezeichnet, als Rammelkate­r gilt einer, dem Qualitäten als Schürzenjä­ger nachgesagt werden. Ein Schmuseran­t wiederum ist einer, der gern und viel küsst beziehungs­weise zuwischmie­rt die Revolvergo­schn kündet von einer scharfen Zunge: „Des Pupperl hat a Revolvergo­schn“bedeutet so viel wie: Diese Frau ist schlagfert­ig. Political Correctnes­s ist in diesem Kontext freilich eine zu vernachläs­sigende Größe.

Wird ein Mann von seinem Schatzi betrogen, ist er ein Lackierter, mit Hurndiesel wird ein billiges, übel riechendes Parfum verbal gebrandmar­kt. Fast schon poetisch im Vergleich dazu ist parlewuder­n: „De zwa parlewuder­n umanand, dass ma nimma wurscht ist.“Wie bitte? Ulrike Friedrich klärt auf: „Die zwei turteln so intensiv miteinande­r, dass es mich irritiert.“

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BILD: SN/FOTOLIA

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