Salzburger Nachrichten

Trauen Sie keinem Koch, der nicht stolz auf sein Scheitern ist

Seit der Mensch Nahrung zu sich nimmt, macht er einen Fehler nach dem anderen. Und das wird hoffentlic­h lang so bleiben.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SALZBURG.COM

Fehler sind super. Das behauptete kürzlich der Werfener Koch Rudi Obauer vor Hunderttau­senden Zuhörern auf Bayern 3 in der Sendung „Mensch, Otto!“. Auf die Frage, warum er sich die Fragen für das Interview nicht vorab schicken lassen wollte, antwortete er: „Wieso sollte ich? Kommt ja nichts raus dabei. Das nimmt mir die Chance, spontan zu sein, und verfälscht die Wahrheit.“Der Moderator war verblüfft und Obauer legte nach: „Vor allem nähme es mir die Chance, Fehler machen zu dürfen, diese später einzugeste­hen und es beim nächsten Mal besser zu machen.“

Willkommen in der Welt der guten Küche. Diese wäre nämlich ohne Fehler, Missgeschi­cke oder Unfälle eine ziemlich rohe Angelegenh­eit. So wird etwa heute davon ausgegange­n, dass es nur Missgeschi­cken von Steinzeitm­enschen zu verdanken war, dass plötzlich Fleisch mit Feuer gegart wurde. Von da an sollten noch viele Fehler unsere Kochkunst verfeinern.

Auch den Roquefort soll es ja nur geben, weil ein Schäfer eines Tages in den Cevennen seinen Schafkäse in einer Höhle vergaß. Später habe er – so die Legende – aus Neugierde den mit Schimmelpi­lz befallenen Käse gekostet. Und siehe da: Der Geschmack war überwältig­end. Auch die Weißwürste dürften nur auf die schlampige Planung des bayerische­n Metzgers Sepp Moser zurückzufü­hren sein. Als sein Brät für Kalbsbratw­ürstel fertig war, habe er bemerkt, dass er keine Schafsaitl­inge mehr zum Füllen hatte. Also füllte er es kurzerhand in Schweinsdä­rme. Die konnten nicht mehr gebraten werden, weil sie sonst geplatzt wären. Also kochte er jene Wurst, die sogar Namensgebe­r für eine Grenzlinie namens „Weißwurstä­quator“wurde.

Auch der Nationalst­olz der Briten, der EarlGrey-Tee, gründet sich auf einem Missgeschi­ck. In einem Schiffsbau­ch ergoss sich Bergamottö­l über chinesisch­en Tee. Der vermeintli­che Verlust entpuppte sich als aufgepeppt­e Köstlichke­it. Auch über die Entstehung der Süßweine gibt es viele Legenden. Süßweine werden aus angefroren­en und angefaulte­n Trauben gekeltert. So soll es die Riesling Spätlese nur deshalb geben, weil sich ein Kurierreit­er mit der Ernteerlau­bnis vertrödelt­e.

Weniger ein Fehler als eine ungenießba­re Zumutung ist die Zubereitun­g von Kopi Luwak. Das ist eine Kaffeesort­e, die aus den Exkremente­n einer Schleichka­tzenart gewonnen wird. Dieser „Fehler“kommt aber nur die Konsumente­n teuer zu stehen. Ein Kilogramm kostet 250 Euro. Die Kunst des ewigen Scheiterns fasste Samuel Beckett für uns so zusammen: Immer versucht. Immer gescheiter­t. Einerlei. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern. Denn was kommt raus, wenn man alle Fehler ausmerzt? Fertiggeri­chte.

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