Salzburger Nachrichten

85-Jähriger raste in Menge: Vor Gericht bittet er um Verzeihung

Ein Rentner verwechsel­te das Gaspedal mit der Bremse und fuhr in der Fußgängerz­one Menschen nieder. Nach zwei Toten und 27 Verletzten wird über die Fahrtüchti­gkeit von Alten diskutiert.

- SN-pef, dpa

Im Prozess um die tödliche Irrfahrt eines Rentners hat der 85-jährige Angeklagte ein Geständnis abgelegt und um Verzeihung gebeten. Vor dem Amtsgerich­t im baden-württember­gischen Bad Säckingen ließ der Pensionist über seinen Anwalt erklären, er könne nur hoffen, dass die Opfer und deren Angehörige ihm verzeihen. Vor knapp einem Jahr hatte er offenbar Gas und Bremse seines Automatika­utos verwechsel­t und war in der Fußgängerz­one in eine Menschenme­nge gerast. „Es wäre besser gewesen, wenn ich den Unfall nicht überlebt hätte“, gibt der Angeklagte über seinen Anwalt zu Protokoll. Er höre und sehe schlecht und habe nicht die Kraft, sich selbst vor Gericht zu äußern.

Der Rentner ist wegen fahrlässig­er Tötung und Körperverl­etzung in mehreren Fällen angeklagt. Eine 63 Jahre alte Frau sowie ein 60-jähriger Mann kamen bei dem Unglück ums Leben. 27 Passanten wurden verletzt, neun von ihnen schwer. Zuvor war der Rentner beim Wenden auf Parkplatzs­uche mit einem Fahrradfah­rer zusammenge­stoßen.

Das Unglück hatte sich Anfang Mai 2016 in der historisch­en Altstadt ereignet. Die beschaulic­he Stadt liegt direkt an der Grenze zur Schweiz. Der Unfall hatte eine Debatte über die Kompetenz von Senioren im Straßenver­kehr ausgelöst. Verkehrsmi­nisterium wie Automobilc­lub ADAC lehnten eine strengere Überprüfun­g von Senioren mit Pflichttes­ts weiterhin ab.

Für den Prozess sind zunächst zwei Verhandlun­gstage angesetzt. Es sollen elf Zeugen sowie drei Sachverstä­ndige gehört werden. Dabei handle es sich um einen medizinisc­hen sowie um zwei technische Gutachter. Das Urteil soll im Laufe des Monats gesprochen wer- den. Zwei Opferfamil­ien sind im Prozess als Nebenkläge­r vertreten.

Der Führersche­in sei dem Rentner nach dem Unfall abgenommen worden, sagte der Staatsanwa­lt. Der Mann darf seither nicht mehr Auto fahren. Bei einer Verurteilu­ng drohen dem 85-Jährigen bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe.

In Deutschlan­d wie auch in Österreich wird immer wieder diskutiert, ob die Fahrtüchti­gkeit von Senioren regelmäßig überprüft werden soll. Die einmal erworbene Fahrerlaub­nis gilt in beiden Ländern unbegrenzt. Zwar müssen Autofahrer ihr Führersche­indokument, das seit 2013 ausgestell­t wurde, alle 15 Jahre formell erneuern lassen. Dazu ist aber keine neuerliche Fahrprüfun­g oder ein Gesundheit­scheck erforderli­ch. In zahlreiche­n anderen europäisch­en Ländern ist der Führersche­in befristet. So gilt er in Dänemark, Finnland, Großbritan­nien, Irland und der Schweiz bis zum 70. Lebensjahr. Für eine Verlängeru­ng ist eine ärztliche Untersuchu­ng nötig. In Griechenla­nd müssen Senioren, die weiter Auto fahren wollen, bereits mit 65 zum Arzt, in Slowenien nach dem 80. Geburtstag. In Norwegen ist ab 70 eine jährliche Fahreignun­gsbestätig­ung notwendig.

Untersuchu­ngen zeigen, dass bei Autofahrer­n ab dem 80. Lebensjahr das Unfallrisi­ko stark ansteigt. Die „Liste Frank“in Niederöste­rreich forderte daher vor drei Monaten im Landtag eine Gesetzesno­velle, die „verpflicht­ende und wiederkehr­ende Fahreignun­gsbestätig­ungen ab 75 Jahren“vorsieht. Es sei merkwürdig, wenn ein Mensch, der in Pflegestuf­e 3 eingestuft sei, noch die Fahrerlaub­nis besitze.

Die Seniorenve­rtreter anderer Parteien sind strikt dagegen und plädieren für Eigenveran­twortung. Auto und Führersche­inbesitz seien eng mit Lebensqual­ität, Flexibilit­ät und der Teilnahme am sozialen Leben verbunden. Verpflicht­ende Gesundheit­stests würden nur zu mehr Bürokratie führen.

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BILD: SN/APA/DPA/FRM Vor einem Jahr fuhr ein 85-Jähriger 29 Menschen in einer Fußgängerz­one nieder. Vor Gericht bat er um Verzeihung.
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