Was trägt man auf dem Mars?
Für eine Reise durchs All muss viel Material transportiert werden – etwa technische Textilien. Längst profitieren wir Erdenbewohner von den Hightech-Materialien künftiger Marsianer.
WIEN. Unser Nachbarplanet Mars ist ein begehrtes Ziel etlicher Missionen. Bald werden auch Menschen dorthin reisen. Und dort versuchen, zu leben. Aber was trägt man eigentlich auf dem Mars? Seit Jahren schon beschäftigen sich Forscher – und natürlich auch Modedesigner – mit der Frage, was Erdlinge, die sich auf dem Mars häuslich einrichten wollen, überhaupt anziehen müssen, um zu überleben.
Denn eines steht fest: Der Mars ist alles andere als wohnlich. Entsprechende Outdoor-Kleidung dafür zu kreieren ist eine Herausforderung. Auf dem Mars herrschen Temperaturen von durchschnittlich minus 56 Grad Celsius. „Dort oben“ist es also jahrein, jahraus sehr kalt. Die trockenen Wüstenund Gebirgslandschaften sind mit einer feinen, braunroten Staubschicht bedeckt, weswegen er auch gern als roter Planet bezeichnet wird. Dieser feine Staub, der durch alle Ritzen und Nähte dringen kann, ist also neben der Dauerkälte eine weitere Anforderung an die Bekleidung der Marsbewohner.
Künftige Marsianer können außerdem nie ohne entsprechenden Raumanzug ins Freie. Sauerstoff zum Atmen gibt es nur ganz wenig auf dem Mars. Die Atmosphäre besteht hauptsächlich aus Kohlendioxid und ist 100 Mal dünner als bei uns auf der Erde. Dazu kommen die relative Schwerelosigkeit und die harte kosmische Strahlung. Letztere ist ebenfalls eine Gefahr für jegliches Material, weil sie es mit der Zeit brüchig macht.
Amerikanische Forscher haben jetzt einen Bekleidungsstoff entwickelt, der gegen radioaktive Strahlung ähnlich gut schützt wie herkömmliche Bleiwesten. Ein Anzug aus dem Material Polyethylen und einem speziellen Kunststoff auf Basis von PVC (einem Plastikstoff) wiegt weniger als drei Kilogramm, kann jedoch Strahlung wirkungsvoll abschirmen. Die Frage ist, welche Bekleidung auf die lange Reise zum Mars mitgenommen werden kann. Der Flug dauert ungefähr 500 Tage. Und jedes überflüssige Kilogramm muss vermieden werden. Zusätzliche Last kostet Energie. Das und vieles mehr sind Aspekte, die beachtet werden müssen, wenn man spezielle Marsanzüge bzw. Marskleidung kreiert.
Das Nachdenken der Forscher in Zusammenarbeit mit Designern hat sich offenbar schon jetzt ausgezahlt. Noch ehe der erste Mensch den Mars betreten hat. Rolf-Dieter Fischer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erklärt, warum: „Viele der für die Raumfahrt entwickelten Materialien finden heute wegen ihrer extremen Widerstandsfähigkeit und Temperaturbeständigkeit Einzug in Alltagsprodukte hier auf der Erde.“
Das tritt laut Fischer in besonderem Maß auf faserbasierte Materialien zu. So finden sich wärme- und feuchtigkeitsregulierende Materialien, die für Astronautenanzüge entwickelt wurden, in Sportschuhen, Bekleidung und Heimtextilien.
Wie so ein Leben auf dem Mars aussehen könnte, das zeigt jetzt die Mode- und Materialmesse „Techtextil“kommende Woche in Frankfurt. Wer gerade in der Nähe ist, sollte sich unbedingt das Sonderareal „Living in Space“ansehen. Dort zeigt die Europäische Raumfahrtagentur ESA gemeinsam mit der DLR, was in solcher HightechKleidung drinsteckt.
Die Anzüge der Kollektion „Dynamic Space“von Rachel Kowalski von der Hochschule Pforzheim zum Beispiel enthalten Elektroden, die in der Schwerelosigkeit wichtige Muskelgruppen stimulieren. Der Muskelabbau auf dem Mars wäre wegen der geringen Schwerkraft nämlich enorm und bald auch gefährlich für Marsianer. Das ist ein medizinisches Problem, das Designer nicht werden lösen können.
Apropos Schwerkraft: Jeder kennt die Bilder von hüpfenden Astronauten auf dem Mond. Dies liegt daran, dass die Astronauten trotz eines 84 Kilogramm schweren Anzugs weniger als auf der Erde wogen. Nimmt man an, dass ein Astronaut 80 Kilogramm wiegt, so wiegt er auf der Erde mit Anzug und Lebenserhaltungstornister 164 kg. Er könnte sich hier kaum bewegen. Auf dem Mond hingegen wiegt er kaum 27 Kilogramm. Er hat aber Muskeln ausgebildet, die 80 Kilogramm heben können, daher sieht alles so leicht aus auf dem Mond.
Beim Mars wird es komplizierter. Heutige Raumanzüge, für Arbeiten im schwerelosen Weltraum konzipiert, sind schwerer als früher. Sie haben ein schwereres Lebenserhaltungssystem mit mehr Vorräten für die Atemluft. Ein Anzug an Bord der ISS wiegt daher 122 Kilogramm.
Auf dem Mars würde so ein Ding mit dem Gewicht des Astronauten gefühlt 77 Kilogramm wiegen. Das wäre für – noch – durchtrainierte Astronauten kein Problem, auch wenn diese Abzüge extrem unbeweglich machen. Für jemanden, der durch den langen Flug zum Mars einen Großteil seiner Muskelmasse verloren hat und spröde Knochen hat, ist dies das aber viel zu viel. Bis zum ersten bemannten Marsflug 2024/25 sind also nicht nur modische Fragen zu klären.
„Etliche unserer Entwicklungen stecken heute in Laufschuhen oder Kosmetik.“ Rolf-Dieter Fischer, DLR-Marketing