Flughafen: Mehr Starts Richtung Süden
Im Fluglärmstreit hat Salzburg den Bayern ein Angebot gemacht, das den südlichen Flughafen-Anrainern mehr Lärm bringen wird. Die Bayern wollen aber noch weniger Überflüge.
Monatelang wurde zwischen Deutschland und Österreich im sogenannten technischen Ausschuss auf Ministerialbeamten-Ebene über den Fluglärm verhandelt. Seit wenigen Tagen gibt es nun einen Kompromissvorschlag von Salzburg an die Bayern. Die fünf wichtigsten Punkte: Mehr Starts nach Süden: Wenn es die Sicht- und Windbedingungen zulassen, sollen Starts künftig primär nach Nordosten – das betrifft vor allem Bergheim und Eugendorf – oder nach Süden (über Anif) erfolgen und damit nicht wie bisher über Nordwesten, also Richtung Freilassing. Bayern haben morgens Ruhe: In den Tagesrandzeiten – konkret von sechs bis sieben Uhr früh sowie ab 21 Uhr abends – sollen überhaupt keine Maschinen mehr über Nordwesten und damit deutsches Gebiet starten. Pistennutzungskonzept: Festgeschrieben werden sollen diese neuen Start- und Landevorschriften in einem Pistennutzungskonzept, das auch verbindliche Vorgaben für die Lotsen enthalten soll, wie Christian Woborsky erläutert. Der Austro-Control-Experte, der seine Behörde auch im technischen Ausschuss vertritt, hat das Konzept ausgearbeitet. Mehr Tauernanflüge: Für Flieger, die aus dem Süden kommen, soll der sogenannte Tauernanund -abflug forciert werden. Dazu soll im Idealfall noch heuer von der Flugsicherheitsbehörde Austro Control ein instrumentengestütztes Start- und Landesystem (Radio Navigation Procedure, kurz RNP) eingeführt werden. Das soll dazu führen, dass noch mehr Maschinen als bisher diese dann sichere Route für den Südanflug wählen – statt wie bisher von und nach Süden auf Sicht an- und abzufliegen. Neue Stadtüberflugsroute: Für die Landung von Maschinen, die aus dem Norden kommen, aber lärmbedingt von Süden her landen sollen, soll es ebenfalls ein neues, instrumentengestütztes Landesystem (RNP) geben – aber mit einer neuen Route über der Stadt, für die jedoch eine gewisse Minimalsicht nötig ist. Dabei sollen die Flieger, von Norden kommend, westlich am Gaisberg vorbeifliegen, vor der Elsbethener Brücke die Salzach queren und dann nördlich von Anif um 180 Grad drehen, damit sie von Süden am Mozart Airport landen können. Als Folge soll der derzeit viel kritisierte Circling Approach, bei dem die Maschinen oft relativ tief direkt über die Altstadt hereinschweben, künftig entfallen. Auswirkungen: „Wir erreichen damit schon nach einem halben Jahr eine Verteilung der Flugbewegungen zwischen Nord und Süd von 80 zu 20“, sagt AustroControl-Experte Christian Woborsky. Derzeit liegt das Verhältnis bekanntermaßen bei rund 90:10. Aber was ist mit der von den Bayern geforderten Aufteilung 70:30? Woborsky: „Aus meiner Sicht müsste die in drei bis fünf Jahren erreichbar sein. Damit sind wir aber am Plafond. Ein Verhältnis von 50 zu 50 ist ausgeschlossen – schon wegen der Berge.“Denn durch die Berge würde es im Süden schneller abkühlen; daher sei diese Seite viel nebelanfälliger als der Norden, was noch mehr An- und Abflüge aus dem Süden verhindere, sagt er.
Aber auch beim 70:30-Ziel sei man stark vom Willen der Fluglinien abhängig, betont Woborsky: „Air Berlin und Flyniki konnten das RNP-System fliegen, sind jetzt aber fast weg. Die Eurowings wird es wahrscheinlich auch machen. Bei der Ryan Air schaut es schlecht aus, denn das System kostet Geld und die wollen nicht investieren.“Auch die Turkish Airlines könne es fliegen – wenn sie eine Boeing 737 einsetze: „Aber das entscheiden sie selbst.“
Vom Freilassinger Bgm. Josef Flatscher (CSU) kommt erwartungsgemäß Kritik am Kompromisspapier: „Das erste Pistennutzungskonzept der Austro Control hätte zu einer Verlagerung der Flugbewegungen auf 77:23 geführt. Das wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung gewesen.“Der jetzt modifizierte Vorschlag würde maximal zu einem Verhältnis von 85:15 führen – „und das kommt nicht annähernd an das heran, was wir uns erwarten.“Sein Rat an den deutschen Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU)? „Wenn er das unterschreibt, dann hat er etwas nicht verstanden.“
Der Sprecher des Anrainerschutzverbands Salzburg Airport (ASA), Reinhold Schmuck, sagt, dass man den Kompromissvorschlag „zähneknirschend zur Kenntnis“nehme. Es entspreche aber dem Verhandlungsstand im Bürgerbeirat, bevor dort die bayerischen Anrainer im Mai 2016 ausgestiegen seien. Schmucks Einschätzung: „Für die Anrainer im Süden – also etwa in der Moosstraße, in Leopoldskron, Gneis und Anif – wird sich der Lärm verdoppeln.“Die ASAVertreter fordern daher im Fall der Umsetzung des Papiers Ausgleichsmaßnahmen, etwa mehr Lärmschutzfenster, sowie eine Einschränkung des Flugbetriebs auf sieben bis 21 Uhr statt der derzeit gültigen Zeiten sechs bis 23 Uhr.
„Gar nichts“hält Salzburgs Bgm. Heinz Schaden (SPÖ) von der letzten Forderung: „Denn
„Verhältnis 70:30 müsste in drei bis fünf Jahren erreichbar sein.“ Christian Woborsky, Austro Control „Wenn Dobrindt es unterschreibt, hat er was nicht verstanden.“ Josef Flatscher, Bgm. in Freilassing
dann könnte etwa die Eurowings die Rotationen von und nach Frankfurt an einem Tag gar nicht fliegen.“Durch die vermehrten Südan- und abflüge „wird es auch bei uns lauter werden, aber das ist vertretbar“, glaubt er. „Was ich an Dezibelwerten gehört habe, ist es aber keine Verdoppelung des Lärms für den Süden.“Das Kompromissangebot trägt Schaden mit – betont aber: „Eine 70:30Verteilung ist mir zu viel.“Denn Faktum sei, dass jetzt schon über 90 Prozent des Fluglärms die Salzburger Seite abbekomme und in Freilassing nur fünf Häuser wirklich stark betroffen seien.
Flughafen-Aufsichtsratschef und LH-Stv. Christian Stöckl (ÖVP) sagt: „Ich erwarte, dass Berlin ein Machtwort spricht und den Kompromiss annimmt.“Weiters drängt Stöckl darauf, dass bald ein 18-monatiger Testbetrieb mit den geplanten Maßnahmen starten soll – „also mindestens einen ganzen Sommer- und einen ganzen Winterflugplan lang“. Flatscher ist das zu lange: „Ich warte schon 18 Jahre auf eine Lösung. Der Probebetrieb darf maximal bis zum Beginn des Winterflugplans dauern.“