Es ist noch nicht alles „News“, was einfach nur „Fake“ist
Eine Gesellschaft, in der selbst Präsidenten die Balken allein durch Reden zum Biegen bringen, sucht auch sonst allerlei Dreck.
Kaum jemand hat bemerkt, wie sich schon seit vielen Jahren Fälschungen ihren festen Platz im Leben der Gesellschaften in den industrialisierten Ländern festgesetzt haben. Hier ist nicht die Rede von den „fake news“, die das Klima in vielen Ländern vergiften, die die unmöglichsten Leute in wichtige Positionen hieven und von allerlei Politikern missbraucht werden, um gegen Minderheiten zu hetzen.
Hier ist die Rede von Statussymbolen, die etwas vortäuschen sollen – Reichtum, Adel, Bildung. Dazu kauft sich so mancher einen Doktortitel (oder lässt die Dissertation von einem anderen schreiben), ein schickes Auto, das man sich eigentlich nur unter großem Verzicht leisten kann. Man behängt sich mit Schmuck, der entweder aussieht, als sei er teuer, oder man borgt sich echte Klunker, um beim Opernbesuch Reichtum vorzutäuschen.
Seit einigen Jahren freilich läuft ein Trend in die Gegenrichtung. Es gibt eine Mode, die Armut vortäuschen oder den Eindruck erwecken soll, dass Armut ja geradezu schick sei. Die Zeit ist noch nicht so lang her, da löcherige Hosen ein Beweis für Bedürftigkeit waren. Der Träger industriell zerrissener und zerschlissener Jeans dokumentiert entweder Solidarität mit Armen oder zeigt, dass er mit einer gehörigen Portion Ironie und Sarkasmus auf die bedauernswerten Menschen herabschaut, die sich keine präparierten Hosen leisten können und sich – wie gewöhnlich! – die Löcher selbst ins Hosenknie schnipseln müssen.
An einer amerikanischen Universität in Richmond, Virginia, gibt es einen Kurs in „Jeanologie“, in dessen Verlauf die Studenten jene Fabrik in Portugal besuchen, in der nagelneue Jeans maschinell und mit Sandstrahlgebläse auf Alt getrimmt werden.
Die neueste Variante: Die Hosen werden auch gleich noch vorbeschmutzt. Sie sehen dann aus, als hätte sich der Träger im Schlamm gewälzt. Die Dinger kosten mehr als 400 Euro, sobald sie auf dem Ladentisch der amerikanischen Modekette Nordstrom landen. Vielleicht sind sie dort Ersatz für die IvankaTrump-Kollektion, die dort kürzlich aus dem Programm genommen wurde.
Der künstliche Schmutz hat den Vorteil, dass derartig dekorierte Beinkleider dreckiger sind, als ihre Träger es je fertigbringen würden. Und sie vermitteln den Eindruck, dass der so Bekleidete entweder vor keiner dreckigen Arbeit zurückschreckt – oder eben dass er Arbeit gar nicht nötig hat, weshalb er sich den Schmutz lieber kauft.
Was kommt als Nächstes dran, nach „Fake Armut“und „Fake Arbeit“? Wird man dann wieder Wohlstand vortäuschen und sich in edles Tuch hüllen – womöglich mit dem Duft von Geld parfümiert?