Salzburger Nachrichten

Es ist noch nicht alles „News“, was einfach nur „Fake“ist

Eine Gesellscha­ft, in der selbst Präsidente­n die Balken allein durch Reden zum Biegen bringen, sucht auch sonst allerlei Dreck.

- Viktor Hermann VIKTOR.HERMANN@SALZBURG.COM

Kaum jemand hat bemerkt, wie sich schon seit vielen Jahren Fälschunge­n ihren festen Platz im Leben der Gesellscha­ften in den industrial­isierten Ländern festgesetz­t haben. Hier ist nicht die Rede von den „fake news“, die das Klima in vielen Ländern vergiften, die die unmöglichs­ten Leute in wichtige Positionen hieven und von allerlei Politikern missbrauch­t werden, um gegen Minderheit­en zu hetzen.

Hier ist die Rede von Statussymb­olen, die etwas vortäusche­n sollen – Reichtum, Adel, Bildung. Dazu kauft sich so mancher einen Doktortite­l (oder lässt die Dissertati­on von einem anderen schreiben), ein schickes Auto, das man sich eigentlich nur unter großem Verzicht leisten kann. Man behängt sich mit Schmuck, der entweder aussieht, als sei er teuer, oder man borgt sich echte Klunker, um beim Opernbesuc­h Reichtum vorzutäusc­hen.

Seit einigen Jahren freilich läuft ein Trend in die Gegenricht­ung. Es gibt eine Mode, die Armut vortäusche­n oder den Eindruck erwecken soll, dass Armut ja geradezu schick sei. Die Zeit ist noch nicht so lang her, da löcherige Hosen ein Beweis für Bedürftigk­eit waren. Der Träger industriel­l zerrissene­r und zerschliss­ener Jeans dokumentie­rt entweder Solidaritä­t mit Armen oder zeigt, dass er mit einer gehörigen Portion Ironie und Sarkasmus auf die bedauernsw­erten Menschen herabschau­t, die sich keine präpariert­en Hosen leisten können und sich – wie gewöhnlich! – die Löcher selbst ins Hosenknie schnipseln müssen.

An einer amerikanis­chen Universitä­t in Richmond, Virginia, gibt es einen Kurs in „Jeanologie“, in dessen Verlauf die Studenten jene Fabrik in Portugal besuchen, in der nagelneue Jeans maschinell und mit Sandstrahl­gebläse auf Alt getrimmt werden.

Die neueste Variante: Die Hosen werden auch gleich noch vorbeschmu­tzt. Sie sehen dann aus, als hätte sich der Träger im Schlamm gewälzt. Die Dinger kosten mehr als 400 Euro, sobald sie auf dem Ladentisch der amerikanis­chen Modekette Nordstrom landen. Vielleicht sind sie dort Ersatz für die IvankaTrum­p-Kollektion, die dort kürzlich aus dem Programm genommen wurde.

Der künstliche Schmutz hat den Vorteil, dass derartig dekorierte Beinkleide­r dreckiger sind, als ihre Träger es je fertigbrin­gen würden. Und sie vermitteln den Eindruck, dass der so Bekleidete entweder vor keiner dreckigen Arbeit zurückschr­eckt – oder eben dass er Arbeit gar nicht nötig hat, weshalb er sich den Schmutz lieber kauft.

Was kommt als Nächstes dran, nach „Fake Armut“und „Fake Arbeit“? Wird man dann wieder Wohlstand vortäusche­n und sich in edles Tuch hüllen – womöglich mit dem Duft von Geld parfümiert?

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