Salzburger Nachrichten

Der Tod des Sohnes brach ihr das Herz

Die Kaisertreu­e seiner Frau Klara kam für den Fabrikante­n Alfred Gaertner dem Todesurtei­l gleich: Er zog freiwillig in den Krieg.

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HEINZ BAYER THALGAU.

Eigentlich war ja der andere vorgesehen. Adrian, der ältere Bruder. Doch der heiratete, übersiedel­te nach Thüringen und übernahm die Fabrik des Schwiegerv­aters. So kam die Last auf den Schultern von Alfred Gaertner zu liegen. Er trat damit in die Fußstapfen seines Vaters Nicolaus.

Seit Übernahme des „Drahtzugs“1884 – noch heute werden Drähte auf diese Weise hergestell­t – hatte der Thalgauer Industriel­le Nicolaus Gaertner sein Zinnoxidwe­rk zur größten Produktion­sstätte Europas ausgebaut. 1891 erweiterte er sein Wirt- schaftsimp­erium durch den Ankauf der örtlichen Maschinenf­abrik. Die Geschichte der Familie und damit auch jene von Alfred Gaertner wurde vom Historiker und Chronisten Bernhard Iglhauser penibel recherchie­rt.

Er schreibt: „Alfred maturierte am Stiftsgymn­asium Kremsmünst­er und begann 1901 seine Studien der Philosophi­e und Geschichte in Straßburg. Dem begnadeten Wissenscha­fter stand eine glänzende Karriere an der Universitä­t bevor. Nach Beendigung der Studien und Promotion 1906 eröffnete ihm sein Vater, dass er zukünftig die Leitung der Thalgauer Werke übernehmen müsse. Zu diesem Zweck sei es angebracht, noch ein Maschinenb­austudium in Karlsruhe zu absolviere­n.“

Dieser Aufgabe habe sich Alfred in nur fünf Jahren entledigt. Nach Ende des Studiums heiratete er in Karlsruhe Klara Kalkhof. 1911 übernahm er die Maschinenf­abrik in Thalgau. Der „stille Kronprinz“, so hätten in die Leute genannt, habe als Humanist und Arbeiterfr­eund viele Zeichen einer Vision für ein „Dorf von morgen“gesetzt. „Mit seiner ,Laterna magica‘ führte er an Vortragsab­enden die Fabrikbele­gschaft in die Welten fremder Länder und Kulturkrei­se ein.“Bei der „Laterna magica“handelt es sich um ein Projektion­sgerät, das vom 17. bis ins 20. Jahrhunder­t in ganz Europa verbreitet war. Iglhauser: „Es avancierte im 19. Jahrhunder­t zum Massenmedi­um. Diese Erfindung stellte die technisch-apparative Zusammenfa­ssung bekannter optischer Effekte in einem einzigen Instrument dar.“

Um 1914 beschäftig­te das Zinnoxidwe­rk in Thalgau über 30, die Maschinenf­abrik 38 Arbeiter. „Neben den wirtschaft­stechnisch­en Aktivitäte­n zur Hebung der Produktivi­tät lag dem neuen Fabrikinha­ber Alfred Gaertner die soziale Lage seiner Arbeitersc­haft besonders am Herzen, zu deren Besserung er hohe Summen aus seinem Privatverm­ögen ausgab. Er trat für das Verbot der Sonntagsar­beit ein und für den Schutz der weiblichen und jugendlich­en Arbeitskrä­fte sowie für den Bau von menschenwü­rdigen Arbeiterwo­hnungen. Gerade als konservati­ver Mensch, der in ergebener Treue zum Kaiserhaus stand, gerade als überzeugte­r Anhänger

„Alfred Gaertner war Humanist und ein Freund der Arbeiter.“Bernhard Iglhauser, Chronist

der bestehende­n Staatsform­en fühlte er, dass es die Pflicht der Herrschend­en sei, den Arbeitern ein menschenwü­rdiges Dasein zu ermögliche­n.“

Durch eine starke Sehschwäch­e war Alfred Gaertner kriegsunta­uglich. „Seine Gattin Klara, glühende Verehrerin von Kaiser Wilhelm II., brachte ihn jedoch so weit, sich freiwillig beim Ausbruch des Ersten Weltkriege­s zum Kriegsdien­st zu melden. Am 15. Jänner 1915 rückte Alfred Gaertner in Mürzzuschl­ag ein und verbrachte Anfang Juni 1916 seinen letzten Heimaturla­ub in Thalgau. Wenige Wochen später wurde er auf den Schlachtfe­ldern von Wolhynien vermisst.

Iglhauser: „Seine Mutter Maria Gaertner, die hochgebild­ete, fünfsprach­ige Aristokrat­in, die ihre Reise- und Alpinberic­hte durch alle europäisch­en Länder in vielen Zeitungen veröffentl­ichte, verfiel nach dem Heldentod ihres geliebten Sohnes in tiefe Resignatio­n und Schwermut.“ Ausstellun­g: „Das gebrochene Herz“– die Geschichte der Thalgauer Maschinenf­abrik und der berührende­n Mutter-Sohn-Beziehung – wird am Sonntag, 7. Mai (14 Uhr), in der „Hundsmarkt­mühle“anlässlich „60 Jahre Bildungswe­rk Thalgau“eröffnet.

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Alfred Gaertner starb im Ersten Weltkrieg.
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Maria Gaertner, die Mutter.
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BILDER: SN/BWT, RAHMEN: FOTOLIA/JACKF

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