Frankreich will eine offene Nation bleiben
Ein parteiloser Liberaler wird Frankreichs Präsident. Die EU-Verächter sind gestoppt. Jetzt braucht Macron noch eine Mehrheit im Parlament.
Wer hätte das gedacht? Erst ein Jahr ist es her, seit der Wirtschaftsminister des sozialistischen Präsidenten François Hollande unter höhnischem Gelächter der politischen Kaste seine Präsidentschaftskandidatur als Parteiloser ankündigte. Emmanuel Macron, 39 Jahre alt, Ex-Investmentbanker, Absolvent einer Eliteschule, wurde als „Champagner-Blase“aus dem „Blabla-Land“verspottet, als Mischung „zwischen gutem Onkel und Bambi“verlacht, zuletzt von ganz links und ganz rechts als kaltherziger Banker und Handlanger des Finanzkapitals kritisiert.
Nun wird er der jüngste Präsident, den Frankreich je hatte, und das mit einer klaren und mutigen Ansage: Wir brauchen ein starkes Europa. Frankreich ist keine belagerte Festung. Wir ziehen die Zugbrücken nicht hinauf. Wir bleiben eine liberale und offene Gesellschaft. Wir haben keine Angst.
Emmanuel Macron ist ein Pragmatiker. Als Wirtschaftsminister fand er für seine Reformen Abgeordnete aus dem linken und rechten Lager, die sich überzeugen ließen – bis zur Abstimmung, dann blockierten wieder die traditionellen Parteimaschinen. Es war ein entscheidendes Erlebnis, das ihn zur eigenen Kandidatur und Gründung seiner Wahlbewegung veranlasste. Er habe das „Vakuum unseres politischen Systems“gesehen, das den Großteil aller Ideen vernichte, sagte Macron später. Er glaube nicht, dass Frankreich neue Ideen brauche. Frankreich brauche neue Methoden. Was im Übrigen für viele europäische Länder gilt, jedenfalls für Österreich.
Emmanuel Macron will ein Aussteiger sein, der sich an der Realität orientiert. Und in der geht es längst nicht mehr um links oder rechts, sondern um national oder international, um Abschottung oder Offenheit, um Unsicherheit oder Zuversicht.
Europa kann vorerst aufatmen – und sich auch freuen. Denn Macron steht für eine junge, neue, vielleicht auch reizvollere EU, die mit Lust statt Missmut die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angeht.
Erreicht ist damit aber noch nichts. Die autoritären Nationalpopulisten haben das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt. Sie werden weiterhin eine starke Rolle spielen. Zumal Macron für all das steht, was Marine Le Pen abschaffen möchte.
Der nächste Test folgt schon im Juni. Dann wählt Frankreich sein neues Parlament. Der Präsident und seine Truppe treten erstmals an. Sie brauchen Mandate, um regieren zu können. Der Ausgang dieses Wahlgangs erst entscheidet über Macrons Gewicht.
Europa muss noch ein wenig warten.