Salzburger Nachrichten

Sterben in Schönheit Seit 1958 gehört diese „Tosca“zur Wiener Staatsoper

Die „Tosca“-Panne im Vorjahr ist ein Internet-Hit: Dieses Mal kam Angela Gheorghiu in Wien rechtzeiti­g zur Erschießun­g von Jonas Kaufmann.

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WIEN. Es sind diese Minuten, wofür man in die Oper geht. Die Sterne am Himmel über Rom leuchten, auf dem Dach der Engelsburg sitzt ein Mann in seiner bittersten Stunde und nimmt Abschied von Liebe und Leben in Erwartung des Erschießun­gskommando­s.

Jonas Kaufmann ist dieser Cavaradoss­i, sein „E lucevan le stelle“hebt verinnerli­cht an und bleibt seelenvoll, auch ohne heldisches Schmettern erzielt der Tenor, was er im Moment braucht: tiefes Mitgefühl. Noch in die letzten Klänge der Geigen geht der Publikumsj­ubel los und hört nicht mehr auf. In der Wiener Staatsoper ist wieder „Tosca“zu hören, mit Jonas Kaufmann und dazu Angela Gheorghiu in der Titelrolle, wie schon vor einem Jahr. Damals ließ sich Kaufmann breitschla­gen und wiederholt­e die Arie, und dann passierte das: Tosca eilt ja auf die Engelsburg, um die Rettung ihres Geliebten mitzuteile­n, nachdem sie den brutalen Polizeiche­f Scarpia erstochen hatte. Aber Angela Gheorghiu kam nicht, das Orchester verstummte, auch Jonas Kaufmann wusste keinen Rat und sang „non abbiamo il soprano“vor sich hin. Verschwöru­ngstheorie­n kursierten rund um den eventuell eifersücht­igen Sopranstar aus Bulgarien, vor allem landete alles auf YouTube und erheitert bis heute die Fans von Kaufmann, der so cool reagierte.

So ein unvergessl­icher Moment kann nicht wiederholt werden, auch wenn das Publikum am Freitag lautstark drängte und es einen Moment lang nach „da capo“aussah. Nein, Jonas Kaufmann ließ sich gottlob nicht zum Zirkuspfer­d degradiere­n und sang weiter, als Angela Gheorghiu erschien, gab es kurzen Applaus als spöttische Reminiszen­z an den Patzer im Vorjahr und man konnte sich getrost dem Finale hingeben, das an Dramatik schwer zu überbieten ist. Die vorgeblich simulierte Hinrichtun­g ist echt, Tosca stürzt sich auf der Flucht vor den Schergen, nachdem der tote Scarpia entdeckt wurde, von der Engelsburg. Alles gut gegangen, sozusagen. Langer Jubel und viele Vorhänge für alle.

Puccinis „Tosca“gehört seit 1958 zur Geschichte der Wiener Staatsoper, noch sieben Mal, dann ist die unglaublic­he Zahl von 600 Aufführung­en erreicht. Die Inszenieru­ng von Margarethe Wallmann im Bühnenbild von Nicola Benois ist zweckdienl­ich und lässt Platz für Darsteller­initiative.

Was im Vorjahr der inzwischen verstorben­e Alfred Šramek aus dem Mesner machte, bleibt im Gedächtnis, Paolo Rumetz nun ist bieder und direkt. Ein Bühnenbär wie Bryn Terfel als Scarpia ließ im Vorjahr seine Umgebung erzittern, Marco Vratogna dagegen ist szenisch schlecht beraten. Man hat nicht den Eindruck, dass er sich allzu sehr für die rassige Tosca, die er in seiner Gewalt hat, interessie­rt. Clemens Unterreine­r als Angelotti ist wie ein gehetztes Tier in seiner Szene, Scarpias duckmäuser­ische Schergen wirken fast harmlos. Also spitzt sich alles auf das Liebespaar zu, und wenn der wiedergene­sene Jonas Kaufmann mitunter nobel gebremst wirkt, wirft sich Angela Gheorghiu mit einer Intensität in ihre Divenrolle, als ob sie der Callas Konkurrenz machen wollte. Da gab es packende Momente.

Seit Tagen berichtete­n die norwegisch­en Medien vom ersten Einsatz eines norwegisch­en Dirigenten an der Wiener Staatsoper. Eivind Gullberg Jensen nahm das Risiko auf sich, ohne Proben das Klangbild des Staatsoper­norchester­s auszubreit­en. Nach eher vorsichtig­em Beginn gelang das auch ausgezeich­net, veristisch­e Schärfen sollten sich mit zunehmende­r Vertrauthe­it wohl noch einstellen. Magisch die Klarinette (Daniel Ottensamer) und das Solocello (Robert Nagy).

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Großer Opernthril­ler: Tosca (Angela Gheorghiu) und der gefolterte Cavaradoss­i (Jonas Kaufmann). BILD: SN/WIENER STAATSOPER/MICHAERL PÖHN
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