Salzburger Nachrichten

Im Selfie zerfließt das wahre Ich

Wer bestimmt, was wahr ist? Drei Künstler greifen die Frage auf, indem sie mit YouTube-Clips und Selfie-Ästhetik arbeiten.

- Ausstellun­g: „Floating Self“, Salzburger Kunstverei­n, bis 16. 7. Das Kabinett wird im gleichen Zeitraum vom Kollektiv disposed mit wöchentlic­h wechselnde­n Projekten bespielt. WWW.SALZBURGER-KUNSTVEREI­N.AT

Wie man sich im Netz beliebt macht? Die Kunst beherrscht­e Amalia Ulman schnell. Fast 100.000 Nutzer verfolgten regelmäßig ihre Einträge auf der FotoPlattf­orm Instagram und bestaunten die Selfies, die sie ohne Unterlass online stellte. Kein Wunder, entsprache­n sie doch genau den (Frauen-)Bildern, die in der Welt der sozialen Medien begehrt sind: Als Unschuld vom Land war sie da zuerst zu sehen, später als GlamourGir­l, das sogar nach der kosmetisch­en Brust-OP erst einmal zum Smartphone griff, um den frischen Verband gleich allen zu zeigen.

Wenig später waren ihre OnlineFreu­nde bitter enttäuscht. Dafür waren Museen und Galerien begeistert, als Ulman verkündete, dass alle Bilder, die sie gepostet und alle Selfie-Posen, in die sie sich geworfen hatte, Teile eines Kunstproje­ktes waren. Die Identitäte­n, die sie in ihren Selbstport­räts verkörpert hatte, waren frei erfunden.

Mit ihren Verwirrspi­elen im Netz hatte sie die Frage aufgeworfe­n, welchen Wert Echtheit in der Ära der sozialen Medien überhaupt noch hat. Als vielleicht „erstes großes Instagram-Meisterwer­k“bezeichnet­e der britische „Telegraph“Ulmans Kunstproje­kt, als die renommiert­e Londoner Tate Modern Galerie die Bilder in eine große Porträt-Schau aufnahm.

Derzeit sind neuere Arbeiten Ulmans im Salzburger Kunstverei­n zu sehen. „Floating Self“heißt die Ausstellun­g, die Fragen nach der Wandelbark­eit von Identität in der Gegenwart von Facebook und Co. stellt. Besucher können diese Fragen auch gleich an sich selbst richten: Der Eingangsbe­reich ist zur Gänze verspiegel­t.

Wenn Ulman mit der Ästhetik narzisstis­cher Selfies spiele, werde eine Leere sichtbar, erläuterte Kunstverei­ns-Direktor Séamus Kealy. Statt einer Persönlich­keit könne man „einen schwarzen Fleck“erkennen. Nach dem Wert von Wahrheit will die Schau aber auch in einem anderen Kontext fragen: Die Debatte, wer bestimmt, was wirklich ist, bekam beispielsw­eise mit der US-Wahl im Vorjahr und mit Schlagwört­ern wie „postfaktis­ch“und „fake news“neue Aktualität.

In den Arbeiten von Rabih Mroué überlagern sich die (Bild-)Wirklichke­iten zu vielschich­tigen Collagen. Um Krieg gehe es in seiner Arbeit immer, sagt der Künstler aus dem Libanon.

Statt neue Bilder zu produziere­n, verwendet er, was er vorfindet: „Wir werden ohnehin täglich mit Bildern bombardier­t.“Im Kunstverei­n sind seine „Black Boxes“zu sehen, ein „Duo for Two Missing Persons“oder tagebuchar­tige Bilder, die von Fundstücke­n aus zertrümmer­ten Häusern inspiriert sind. Sie geben einen starken Kontrast ab zu den Bildern von Rosa Rendl, die Kultobjekt­e der Konsumwelt von iPhone bis Fendi-Parfüm zu großen Porträts stilisiert.

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BILD: SN/KUNSTVEREI­N/ULMAN Fotodruck aus der Serie „Privilege“von Amalia Ulman.

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