Als das Klima noch Zeit hatte
Für die heutige Erwärmung findet sich in der Erdgeschichte keine Parallele. Forscher lesen aus der vor Jahrtausenden grünen Sahara wie aus einem offenen Buch.
Früher war alles gemütlicher. Auch der Klimawandel lief viel gemächlicher ab. Das ist ausgerechnet in der trockensten und größten Wüste der Erde, der Sahara, „nachzulesen“. Die Landschaft ist ein Glücksfall für die Wissenschaft, ein offenes Buch, das die Klimageschichte der vergangenen gut 10.000 Jahre erzählt.
Riesengroße Areale seien seit mindestens 5000 Jahren unbewohnt, sagt der Kölner GeologieProfessor und Klimaforscher Stefan Kröpelin. Der deutsche Wissenschafter hat in über 40 Jahren schon mehr als 60 Forschungsreisen in die Sahara unternommen und präsentierte seine Erkenntnisse vor Kurzem der Geographischen Gesellschaft Geocompass in Salzburg. „Metertiefe Ablagerungen von einstigen Süßwasserseen sind ein gefundenes Fressen für Geologen“, sagt er. Und Gebiete, die weit von den Meeren und deren Einflüssen entfernt liegen, sind für das Klima besonders aussagekräftig.
Seen gibt es sogar heute noch, auch Süßwasserseen – ein Paradoxon in dieser extremen Trockenheit und Hitze. Vor etwa acht Jahrtausenden war die Sahara eine beinahe lieblich anmutende grüne Savannenlandschaft. „Dann zog sich der Monsunregen ungefähr ab dem vierten Jahrtausend vor Christus zurück.“Zeugnis von der Blütezeit geben Felsbilder der sogenannten Schwimmerhöhle von Gilf Kebir.
Nilbarsche und Wasserschildkröten lebten dort, wo heute nicht einmal ein Skorpion überleben könnte. Neben den Resten des großen Tschadsees („ein paar Tausend Quadratkilometer sind noch übrig“) gibt es kleinere Seen. Eine Idylle, die aber von Menschen nur mehr sehr dünn besiedelt ist. In den Seen tummeln sich vor allem Fische und Kröten. Der Yoa-See hat einen Durchmesser von rund drei Kilometern. Er ist bis zu 25 Meter tief. Jeder Tropfen Wasser sei mindestens 5000 Jahre alt. Forscher haben von einer kleinen schwimmenden Plattform 16,5 Meter tief in den Seegrund gebohrt und Bohrkerne aus dem Schlamm gezogen, die genauere Erkenntnisse liefern als Baumringe. Sie enthalten zum Beispiel Pollen und damit Informationen über die Veränderungen in der Pflanzenwelt. „Von 6200 Jahren fehlt nicht ein einziges Jahr“, erklärt der Professor. „Das ist das beste Klimaarchiv Afrikas und wohl der Welt.“
Sogar das Wetter einer Jahreszeit eines bestimmten Jahres ließe sich ablesen. Zum Beispiel, dass es in diesem und jenem Herbst besonders starke Sandstürme gegeben hat. Aber auch jedes wichtige vom Menschen verursachte Ereignis, wie die französischen Atomwaffentests in Algerien in den 1960er-Jahren, ist dokumentiert. Das Problem ist allerdings: Die Auswertung solcher Kerne würde extrem viel Zeit in Anspruch nehmen.
Eines ist für Kröpelin klar: Nimmt man diese Klimageschichte Nordafrikas zum Maßstab, „dann läuft der aktuelle, durch den Menschen verursachte Klimawandel deutlich schneller ab. Vor rund 11.000 Jahren dauerte es etwa 500 bis 1000 Jahre, bis die Niederschläge fast die gesamte Sahara erreichten und sich ,grüne‘, savannenartige Verhältnisse ausbreiteten.“Für heutige Klimaszenarien, die im schlimmsten Fall eine globale Erwärmung von kaum vorstellbaren fünf bis acht Grad Celsius in den nächsten hundert Jahren voraussagen, gebe es in der Vergangenheit keine Parallele. Das gelte zumindest für das Quartär (also die jüngste und kürzeste Epoche der Erdgeschichte, die vor rund 2,6 Millionen Jahren einsetzte).
Die vor ca. 7000 Jahren begonnen habende Austrocknung der Sahara dauerte sogar vier Jahrtausende. „Allerdings scheint die relativ kurzfristige Rückkehr trockener Bedingungen in der Sahara vor 8200 Jahren auch sehr schnell gegangen zu sein.“Das will Kröpelin demnächst noch genauer herausarbeiten.
Die gegenwärtige Klimaerwärmung halte er für den Trockengürtel der alten Welt für eine eher positive Entwicklung, „da wie am Ende der Kaltzeit die Niederschläge zunehmen sollten“. Alles habe eben mindestens zwei Seiten, „es gibt immer Verlierer und Gewinner“.