Salzburger Nachrichten

„Nicht von oben herab mit den Eltern reden“

Kinder- und Jugendanwä­ltin Monika Pinterits verteidigt Väter und Mütter gegen Kritik von Erzieherin­nen.

- höd

In ihrem Buch „Die Rotzlöffel-Republik“üben zwei deutsche Kindergart­enpädagogi­nnen Kritik an der steigenden Zahl von Eltern, die ihre Kinder nicht mehr erziehen und keine Grenzen setzen – die SN berichtete­n. Ihre österreich­ischen Kolleginne­n klagen ebenfalls über die immer schwierige­r werdende Arbeit. Die Wiener Kinder- und Jugendanwä­ltin Monika Pinterits sieht dagegen Handlungsb­edarf in den Kindergärt­en. SN: Übergriffe auf Erzieherin­nen; Jungs und Mädchen, die keinerlei Respekt vor Erwachsene­n haben: Wenn man die Schilderun­gen von Kindergart­enpädagogi­nnen liest, fragt man sich: Was ist denn mit den Kleinen los? Pinterits: Schwierige Kinder sind nicht von Natur aus schwierig. Es kann aber Schwierigk­eiten innerhalb der Familie geben oder in der Schule oder im Kindergart­en. Kinder haben Probleme. Aber die Kindergärt­nerinnen und Lehrerinne­n sind dafür da, dass sie damit adäquat umgehen. Kinder haben ein Recht auf einen respektvol­len Umgang wie alle anderen Menschen auch. Ich habe eine Problem damit, wenn Kinder als „Tyrannen“bezeichnet werden. Die „Rotzlöffel­Republik“ist auch nicht viel besser. Mir gefällt ein Satz von Jesper Juul sehr gut: Ungehorsam und Disziplinl­osigkeit haben vor allem eine Ursache: einen tiefgreife­nden Beziehungs­konflikt zwischen Erwachsene­n und Kindern. SN: Wie kann man noch junge Frauen – und auch Männer – für die Arbeit in Kindergärt­en gewinnen, wenn sie damit rechnen müssen, gekratzt und gebissen zu werden? Ein Punkt ist sicher, dass wir mehr männliche Pädagogen brauchen. Solange dieser Bereich nicht positiv besetzt ist, wird es schwierig sein. Gerade Männer nehmen meist Berufe an, in denen sie mehr Geld lukrieren können. Für den sozialen Be- reich sind noch immer hauptsächl­ich Frauen zuständig. SN: Welche Erfahrunge­n machen Sie im Umgang mit Familien in der täglichen Praxis? Natürlich habe ich tagtäglich mit Familien zu tun, die in Notsituati­onen zu uns kommen. Die wollen sich Hilfe und Unterstütz­ung holen. Ich versuche mit Eltern auf gleicher Augenhöhe zu reden – nicht von oben herab.

Ich habe das Gefühl, dass die Kindergärt­nerinnen zu wenig auf Augenhöhe mit den Eltern reden. Eltern wollen in der Regel ja alles richtig machen. Nur nehmen sie ihre eigene Geschichte mit. Ich glaube, dass Eltern verunsiche­rt sind. Es gibt irrsinnig viele pädagogisc­he Ratgeber. Das macht es aber nicht leichter, sondern es verunsiche­rt noch mehr. Liebe, Sicherheit, Zuneigung, ein gutes Vorbild sein – das ist Erziehung für mich. Man kann Eltern unterstütz­en, indem man ihnen hilft, im Familiensy­stem mehr Sicherheit zu bekommen, nicht, indem man Vorwürfe macht. SN: Soll das Personal in den Kindergärt­en jetzt also auch noch die Elternbera­tung übernehmen? Das ist sowieso ein Teil ihrer Arbeit. Was Kindergärt­nerinnen brauchen, ist das Wissen, wie sie mit Eltern umgehen können, damit diese den Rat auch annehmen können.

Zur Person: Monika Pinterits ist seit 1999 Kinder- und Jugendanwä­ltin der Stadt Wien.

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Monika Pinterits, KJA Wien „Die Ratgeber machen es nicht leichter.“

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