Krebskranke Kinder bleiben zurück
Kinder profitieren nicht vom Boom neuer Arzneien gegen Tumoren. Schwedens Kinderkrebsfonds kritisiert die Pharmaindustrie, die sich zu wenig um die jüngsten Patienten kümmert. Der Fonds fordert mehr Geld für die Forschung.
In der Krebsbekämpfung gibt es derzeit einen Boom. Die Anzahl der in Entwicklung befindlichen und auf den Markt kommenden Krebsmedikamente ist erfreulich groß. Doch all das gilt fast nur für Erwachsene.
Bei Kindern mit Krebs tritt man schon bedenklich lange auf der Stelle, weil sich die Entwicklung von Medikamenten für die Kleinen wirtschaftlich kaum lohnt. Zu diesem schockierenden Ergebnis kam unlängst Schwedens renommierter Kinderkrebsfonds in seinem Jahresbericht.
Dabei ist bei Kindern zwischen einem und 14 Jahren Krebs die häufigste Todesursache, weisen die Experten des Verbandes in ihrem Bericht hin. Krebs bei Kindern macht aber gleichzeitig nur ein bis zwei Prozent aller Krebserkrankungen aus. Da lohne sich derzeit die kostspielige Entwicklung neuer Medikamente nicht für die gewinnorientierte Pharmaindustrie, schreiben die Kinderonkologen. „Für erwachsene Krebspatienten gibt es zahlreiche ganz neue innovative Medikamente, die jetzt entwickelt wurden und die auf jeden Patienten genau angepasst sind. Es herrscht richtige Aufbruchsstimmung in der Krebsforschung“, sagt Kerstin Sollerbrant, Forschungschefin des Kinderkrebsfonds.
Forschung für Kinder ist nicht profitabel
Gerade bei Blutkrebs, Prostatakrebs und Hautkrebs sind in den letzten Jahren neue Medikamente auf den Markt gekommen, die die Erkrankung abbremsen und die Überlebensrate bei betroffenen Erwachsenen drastisch erhöht haben.
Doch bei Kinderkrebs hat sich die Überlebensrate seit 15 Jahren kaum verändert. Rund 80 Prozent der Kinder mit Krebs überleben. 20 Prozent sterben. „So müsste das nicht sein, wenn es mehr Anreize bei der Entwicklung von Krebsmedikamenten auch für Kinder geben würde“, sagt Sollerbrant. „Wir müssen Arzneimittelfirmen dazu zwingen, an die Kinder zu denken, wenn sie ihre Medikamente entwickeln. Da muss die EU-Gesetzgebung verändert werden, es gibt dort zu viele Schlupflöcher“, sagt Sollerbrant.
Derzeit gilt etwa, dass Pharmakonzerne bei Medikamenten für Krebsformen, die Kinder nicht bekommen, wie etwa Brustkrebs, keine Studien mit Kindern machen müssen. Das wird gern ausgenutzt, weil es die Entwicklungskosten senkt. Oft ist es aber so, dass die Wirkungsmechanismen dieser neuen Erwachsenenmedikamente auch Kindern mit anderen Krebsformen zugutekommen könnten.
„Es geht uns nicht darum, die Pharmaindustrie als böse zu brandmarken. Es ist verständlich, dass sie gezwungen ist, wirtschaftlich zu denken. Eine weitere Möglichkeit neben einer entsprechenden Gesetzgebung wäre eine finanzielle Unterstützung der Pharmaunternehmen durch den jeweiligen Staat oder Spenden, um auch Krebsmedikamente für Kinder zu entwickeln“, sagt Sollerbrant. „Die Firmen brauchen einfach wirtschaftliche Anreize, um mehr für Kinder mit Krebs zu tun“, sagt sie.
So könnte die Öffentlichkeit etwa die Forschung mitfinanzieren. Im Gegenzug könnten die Firmen dann Rabatte anbieten, wenn ein gutes Medikament zugelassen wird. Das wäre die Idee des Verbandes. Auch müsse es leichter gemacht werden, die oft geheimen Forschungsdaten der privaten Entwickler effektiver austauschen zu können. Zudem müsse die sehr beschränkte Möglichkeit, Studien mit Kindern zu machen, durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit verbessert werden, so der Fonds.