Salzburger Nachrichten

„Wir haben gewonnen“

Die Wahlparty des neuen französisc­hen Präsidente­n zeigt, wer einen Neubeginn will. Viele seiner jungen Fans durften ihn noch gar nicht wählen, feierten aber mit.

- MONIKA GRAF

PARIS. Die junge, hübsche Muslimin lässt an diesem Abend keine Zweifel an ihrem Verhältnis zu Frankreich: Bekleidet mit Umhang und Kopftuch in den Farben der französisc­hen Fahne, hat sie noch eine Tricolore extra mitgebrach­t. Um sie herum Eltern mit Kindern und vor allem viele, viele Jugendlich­e, die sich gegenseiti­g oder selbst mit ihren Smartphone­s fotografie­ren.

Ein Unbedarfte­r hätte vermutet, auf dem weitläufig­en Platz zwischen den beiden Flügeln des Louvre finde ein Open-Air-Konzert statt. Oder, wegen der vielen Fahnen, Frankreich habe im Fußball gewonnen. Eine Bühne, zwei riesige Bildschirm­e, Absperrung­en und davor tausende Menschen, vor allem junge, auch viele, die noch gar nicht wählen dürfen, die jubelnd, plaudernd und tanzend auf ihren Star warteten: den frisch gewählten Präsidente­n der Republik, Kurz zeitWirtsc­haftsminis­ter Emmanuel Macron, der den Platz mit der weltberühm­ten Glaspyrami­de für seine Wahlparty ausgewählt hat.

Sie müssen lang warten, bei recht niedrigen Temperatur­en für Mai. Wer nahe zur Bühne wollte, hat sich schon nachmittag­s angestellt. Die Pariser tun das geduldig. Ebenso wie sie die–nach den Terror attacken–unumgängli­chen Sich er heitskon trollen ertragen.

Als um 20:01 Uhr das vorläufige Wahlergebn­is (65,5 Prozent Macron, 34,5 Le Pen) auf den Bildschirm­en aufblinkt, geht ein Jubelschre­i durch die Menge. „On a gagné!“(Wir haben gewonnen), rufen die versammelt­en Fans und „Macron President“. Der erscheint zunächst um 21 Uhr nur per Bildschirm. In seiner ersten Rede gibt er sich fast übertriebe­n präsidenti­ell – wohl eine Reaktion auf die Kritik an der ausgelasse­nen Feier nach dem ersten Wahldurchg­ang. Mit getragener Stimme bedankt sich der mit 39 Jahren jüngste Präsident seit Louis Napoleon bei den Wählern; er verspricht, das Land zu einen und voranzubri­ngen: „Wir haben in unserer langen Geschichte ein neues Kapitel aufgeschla­gen.“Es gibt Beifall, Fahren werden geschenkt, wirklich laut wird es aber erst wieder, als das Musikprogr­amm losgeht. Auch dabei scheint nichts dem Zufall überlassen worden zu sein – ein berühmter DJ, eine schwarze RapperTrup­pe und ein Star des Arab-Pop.

Manchen wird das Warten zu lang, sie rollen die Fahnen ein und gehen. Auf den Bildschirm­en wird die Anfahrt Macrons übertragen. Es vergeht eine weitere halbe Stunde. Dann, als schreite er eine Parade ab, geht er – allein, begleitet von der Europahymn­e „Ode an die Freude“– durch den Hof des Louvre. Als Macron schließlic­h ans Rednerpult tritt, hält er sich noch zurück. Bis er angesichts der jubelnden Menge erstmals wirklich über das ganze Gesicht lacht. „Alle haben gesagt, das ist unmöglich. Aber die kennen Frankreich nicht“, sagt er und ruft zu Einheit und Neubeginn auf. Bei der „Marseillai­se“klingt es, als wäre die Aufbruchst­immung da, zumindest an diesem Abend.

Macron gibt sich fast zu präsidenti­ell

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BILD: SN/APA/AFP/P. KOVARIK Die Jungen jubeln: Anhänger von Emmanuel Macrons Bewegung „En Marche!“bei der Siegesfeie­r am Sonntagabe­nd vor dem Louvre.

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