Salzburger Nachrichten

Wie das Elend aus dem Steinbruch auf unsere Tische kommt

Schieferpl­atten als Teller sind der letzte Schrei der gehobenen Tischkultu­r. Jetzt müsste man nur noch wissen, wo die herkommen.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SALZBURG.COM

Herkunftsb­ezeichnung­en bei Nahrungsmi­tteln sind wichtig. In Österreich wurden sie schrittwei­se perfektion­iert. Vor 40 Jahren hat noch der Hinweis „Made in Austria“genügt. Dann wurden die Regionen angegeben und heute sind die Packungen sogar schon mit Fotos von glückliche­n Bauern samt GPS-Daten ihres Bauernhofs versehen. Diese Transparen­z soll klarmachen: Fake Food gibt es anderswo.

Manchmal übertreibe­n es die Kennzeichn­er freilich ein bisserl. Ein Beispiel dafür sind die sogenannte­n „Bauerneier“. An diese Herkunftsb­ezeichnung müssen wir uns noch gewöhnen. Ebenso an die schlüpfrig­e Zusatzanga­be, dass die Eier des auf der Packung abgebildet­en Bauern „verschiede­n groß“sind.

Österreich scheint dermaßen besessen vom Umgang mit Gütesiegel­n dieser Art zu sein, dass Bioproduze­nten wie Johannes Gutmann von Sonnentor bereits von einer profitorie­ntierten Zertifizie­rungs-Industrie sprechen. In heimischen Supermärkt­en kann man derzeit ungefähr 91 Gütesiegel bestaunen: vom AMABiozeic­hen über Bio Austria, Besser Bio, Bio+, Bio Bio, Biotrend, Bioland, Bio vom Berg, Ja! Natürlich, Spar Natur Pur, Tierschutz geprüft, Vega Vita, Waldland bis zu Zurück zu den Wurzeln. Nur ein Gütesiegel sucht man vergebens: Herkunftsb­ezeichnung­en für die Hardware auf dem Tisch. Konkret ist dieses schicke und sündhaft billige Steinzeug gemeint, das in den letzten Jahren über die Haubengast­ronomie auch den Einzug in die privaten Küchen geschafft hat. Sie wissen schon: diese schönen Schieferpl­atten, auf denen das Sushi vom Diskonter so hübsch nach Luxus riecht.

Wo kommen diese hippen Platten mit den vier klitzeklei­nen Gummifüßch­en eigentlich her? Die beinharte Antwort: In sehr vielen Fällen kommen sie aus Kinder- und Sklavenarb­eit in China und Indien. Jetzt könnte man sagen: So etwas kauft nur, wer ein Herz aus Stein hat. Anderersei­ts: Woher sollen wir wissen, unter welchen Bedingunge­n die Schieferpl­atten erzeugt wurden? Nirgendwo ist eine Herkunftsb­ezeichnung zu finden. Gut: Dass ein SechserSet schon um 15 Euro zu haben ist, das müsste stutzig machen. Dass dieselben sechs Platten auf der chinesisch­en Plattform Alibaba.com nur fünf Dollar kosten, das stinkt aber zum Himmel. Die Transportk­osten von China bis Österreich belaufen sich auf etwa acht Cent pro Kilogramm. Ein heimischer Steinmetz berechnet 15 Euro pro Stunde. Ein chinesisch­er Arbeiter kriegt einen Euro. Da steckt eine schöne Gewinnspan­ne drin. Kauft ein Händler beim heimischen Steinmetz, dann wird dieser stolz seinen Namen nennen. Und wenn es schon Stein aus Asien sein soll: Die Gütesiegel Fair Stone und Xertifix gehen in Asien gegen Kinderarbe­it vor. Unterstütz­en wir sie.

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