Wie das Elend aus dem Steinbruch auf unsere Tische kommt
Schieferplatten als Teller sind der letzte Schrei der gehobenen Tischkultur. Jetzt müsste man nur noch wissen, wo die herkommen.
Herkunftsbezeichnungen bei Nahrungsmitteln sind wichtig. In Österreich wurden sie schrittweise perfektioniert. Vor 40 Jahren hat noch der Hinweis „Made in Austria“genügt. Dann wurden die Regionen angegeben und heute sind die Packungen sogar schon mit Fotos von glücklichen Bauern samt GPS-Daten ihres Bauernhofs versehen. Diese Transparenz soll klarmachen: Fake Food gibt es anderswo.
Manchmal übertreiben es die Kennzeichner freilich ein bisserl. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten „Bauerneier“. An diese Herkunftsbezeichnung müssen wir uns noch gewöhnen. Ebenso an die schlüpfrige Zusatzangabe, dass die Eier des auf der Packung abgebildeten Bauern „verschieden groß“sind.
Österreich scheint dermaßen besessen vom Umgang mit Gütesiegeln dieser Art zu sein, dass Bioproduzenten wie Johannes Gutmann von Sonnentor bereits von einer profitorientierten Zertifizierungs-Industrie sprechen. In heimischen Supermärkten kann man derzeit ungefähr 91 Gütesiegel bestaunen: vom AMABiozeichen über Bio Austria, Besser Bio, Bio+, Bio Bio, Biotrend, Bioland, Bio vom Berg, Ja! Natürlich, Spar Natur Pur, Tierschutz geprüft, Vega Vita, Waldland bis zu Zurück zu den Wurzeln. Nur ein Gütesiegel sucht man vergebens: Herkunftsbezeichnungen für die Hardware auf dem Tisch. Konkret ist dieses schicke und sündhaft billige Steinzeug gemeint, das in den letzten Jahren über die Haubengastronomie auch den Einzug in die privaten Küchen geschafft hat. Sie wissen schon: diese schönen Schieferplatten, auf denen das Sushi vom Diskonter so hübsch nach Luxus riecht.
Wo kommen diese hippen Platten mit den vier klitzekleinen Gummifüßchen eigentlich her? Die beinharte Antwort: In sehr vielen Fällen kommen sie aus Kinder- und Sklavenarbeit in China und Indien. Jetzt könnte man sagen: So etwas kauft nur, wer ein Herz aus Stein hat. Andererseits: Woher sollen wir wissen, unter welchen Bedingungen die Schieferplatten erzeugt wurden? Nirgendwo ist eine Herkunftsbezeichnung zu finden. Gut: Dass ein SechserSet schon um 15 Euro zu haben ist, das müsste stutzig machen. Dass dieselben sechs Platten auf der chinesischen Plattform Alibaba.com nur fünf Dollar kosten, das stinkt aber zum Himmel. Die Transportkosten von China bis Österreich belaufen sich auf etwa acht Cent pro Kilogramm. Ein heimischer Steinmetz berechnet 15 Euro pro Stunde. Ein chinesischer Arbeiter kriegt einen Euro. Da steckt eine schöne Gewinnspanne drin. Kauft ein Händler beim heimischen Steinmetz, dann wird dieser stolz seinen Namen nennen. Und wenn es schon Stein aus Asien sein soll: Die Gütesiegel Fair Stone und Xertifix gehen in Asien gegen Kinderarbeit vor. Unterstützen wir sie.