Darmkrebs: Vorsorge wird zielgenauer
Ab dem 40. Lebensjahr steigt das Risiko für Darmkrebs an. Daher wird ab 50 generell die Vorsorgeuntersuchung empfohlen. Eine neue Studie zeigt, dass diese für Patienten mit erhöhtem Herzinfarktrisiko besonders dringlich ist.
Die Darmspiegelung ist eine der wenigen Vorsorgeuntersuchungen, die in der Vermeidung von Krebs bzw. in dessen Früherkennung international als zielführend anerkannt ist. Dennoch ist die Faustregel „Alle ab 50 sollen sich mindestens alle zehn Jahre untersuchen lassen“sehr allgemein und unbefriedigend. Denn das Alter allein ist nur einer von mindestens acht Riskofaktoren für ein Darmkarzinom. Es ist daher schon seit Langem ein Ziel der Krebsforschung, die Risikogruppen für Darmkrebs genauer zu bestimmen und damit auch die Vorsorge gezielt auf sie abzustimmen.
Jetzt hat ein Forschungsteam unter der Leitung von Christian Datz, Professor an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) Salzburg und Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Oberndorf, sowie David Niederseer, ehemaliger Mitarbeiter von Datz in Oberndorf und nun Assistent an der Kardiologie der Universitätsklinik Zürich, einen weiteren Durchbruch dabei erzielt. Bei 2098 Patientinnen und Patienten wurde das Zehn-Jahre-Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bzw. für kardiovaskulären Tod mittels spezieller Scores berechnet. Diese enthielten unter anderen die Risikofaktoren erhöhtes Cholesterin, Bluthochdruck und Rauchen (Framingham Risk Score und SCORE der Europäischen Herzgesellschaft). Die meisten dieser Patienten waren aber zu diesem Zeitpunkt in Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen noch beschwerdefrei. Nur 108 von ihnen litten bereits an einer Herzkrankheit.
Die brandaktuelle Studie, die heute, Dienstag, im internationalen Topjournal der Kardiologie, dem „Journal of the American College of Cardiology“, erscheint, hat nun einen signifikanten Zusammenhang zwischen einem solchen HerzKreislauf-Risiko und dem Darmkrebsrisiko ergeben. „Wir konnten zeigen, dass ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko mit einem erhöhten Risiko für Vorstufen eines Darmkarzinoms oder bereits fortgeschrittenen kolorektalen Neoplasien, also bösartigen Veränderungen des Gewebes im Darm, verknüpft ist“, sagt der Oberndorfer Internist und Krankenhausdirektor.
„Wir können damit sagen, dass bei Menschen mit erhöhtem HerzKreislauf-Risiko die Darmspiegelung als Vorsorge gegen ein Darmkarzinom besonders dringlich zu empfehlen ist.“Und zwar bereits in einem Stadium, in dem noch keine Symptome einer Herzerkrankung aufgetreten sind.
Bei Patienten mit einem niedrigen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen betrug das Risiko für Veränderungen im Dickdarm nur 1,8 Prozent. Dagegen stieg das Darmkrebsrisiko bei jenen 646 Patientinnen und Patienten, bei denen das Zehn-Jahre-Herz-Kreislauf-Risiko größer als acht Prozent war, auf 6,7 Prozent. Bei den 108 Patienten, die bereits dokumentierte Veränderungen an den Herzkranzgefäßen aufwiesen oder bereits einen Herzinfarkt erlitten hatten, betrug das Risiko für ein Darmkarzinom sogar 9,6 Prozent.
Tumoren im Darm gehören zu den häufigsten Krebserkrankungen. „Derzeit sind rund 30 Prozent der Fälle zum Zeitpunkt der Diagnose bereits so weit fortgeschritten, dass sie nicht mehr kurativ behandelt werden können“, sagt Datz. Je früher das Karzinom festgestellt wird, desto höher ist die Fünf-JahreÜberlebensrate. Bei einem lokalisierten Tumor im Darm beträgt diese Rate 90 Prozent, bei einem regional entwickelten Darmkrebs sind es noch 70 Prozent, bei einem bereits metastasierten Tumor im Darm sind es nur mehr 13 Prozent. Aus diesen Zahlen ist klar ersichtlich, welchen Stellenwert die Darmspiegelung in der Krebsfrüherkennung und idealerweise in der Verhinderung von Darmkrebs einnimmt.
Österreichweit am weitesten fortgeschritten ist die flächendeckende Vorsorgekoloskopie im Burgenland und in Vorarlberg. Eine wissenschaftliche Begleitung des Vorarlberger Programms von 2007 bis 2015 hat den gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen nachgewiesen. Die Sterblichkeitsrate wurde durch das qualitätsgesicherte Vorsorgeprojekt gegen Dickdarmkrebs ebenso gesenkt wie die Kosten für das Gesundheitssystem.
In diesem Zeitraum wurden in Vorarlberg durchschnittlich 3200 bis 4200 Darmspiegelungen pro Jahr durchgeführt. Im Untersuchungszeitraum ist die Anzahl der rechtzeitig entdeckten Frühkarzinome um 72 Prozent gestiegen. Entsprechend gestiegen ist auch die Fünf-Jahre-Überlebensrate.
Die Kosten für das Koloskopieprogramm und die dabei erhobenen positiven Befunde beliefen sich im zehnten Jahr auf 58 Millionen Euro. Die Gesundheits- und Pflegekosten für die Vergleichsgruppe ohne Vorsorgeuntersuchung betrugen 157 Millionen Euro.
„Zeitpunkt der Diagnose ist entscheidend.“Christian Datz, Ärztlicher Direktor