Angst vor dem Lärm um „Stille Nacht“
Vielleicht sind wir am Ende des Jahres 2018 um ein ganzes Stück ärmer.
Jetzt aber: „Hollywood greift nach ,Stille Nacht‘“, steht da zu lesen. Ein Kollege formuliert angesichts dessen rasend schnell ein E-Mail. Getrieben von der Lust zum Wortspiel: „Holy Wut!“, schreibt er. Genial formuliert! Im Prinzip will er sagen, es packe ihn eine heilige Wut, weil sich Amerikaner im Schulterschluss mit dem Landestheater dieses Liedes annehmen. Fest steht: Auch für Kulturschaffende gilt die Unschuldsvermutung. Also abwarten und Glühwein trinken. Schimpfen lässt sich immer noch. Jeder Versuch, Kunst auf andere Weise zu schaffen, verdient zunächst einmal eine Chance. Auch wenn die Konstellation ein wenig irritiert, denn „Stille Nacht“ist nicht irgendein Lied. Es ist ein Wertgegenstand von höchster Güte, ein Stück Heimat. Es besitzt einen hohen Grad an Intimität. Wohl für jeden von uns.
Es eignet sich weder als Aufputz für weihnachtliche Events noch als touristisches Zuckerl. Deshalb und abgesehen von den Planungen zu „Silent Night Story“ist da eine Angst. Die Angst vor dem Lärm um „Stille Nacht“. Seit Jahren wird der Zauber der Weihnacht beschädigt. Mit allen erdenklichen Mitteln. Durch Geschäfte, die glauben, schon im Oktober auf Advent machen zu müssen. Durch eine Inflation von Weihnachtsmärkten und Hirtengesumse. Durch Weihnachtsgedudel in den Geschäften und manchmal sogar in Gasthaus-Toiletten. Durch TV-Shows selbst des ORF, die unter „geschmacklose Zumutung“fallen. Deshalb ist mit Blick auf 2018 eines zu hoffen: Dass nicht auch noch das Lied „Stille Nacht“auf dem Altar des „NochMehr“geopfert wird. Dass wir uns nicht selbst berauben. Denn was blieb eigentlich von der tief empfundenen Weihnacht im Kreis der Familie – als eben dieses Lied.