Salzburger Nachrichten

Die Zeit der taktischen Spiele ist vorbei

Es ist klar, was gut ist für Christian Kern. Es ist auch klar, was gut ist für Sebastian Kurz. Doch was ist gut für Österreich?

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

Der Umstand, dass Christian Kern am Donnerstag eifrig mit den Spitzenver­tretern der Opposition­sparteien konferiert­e, ließ wilde Vermutunge­n ins Kraut schießen. Der Bundeskanz­ler wolle die Chancen für eine Minderheit­sregierung ausloten, also eine rote Regierung ohne Beteiligun­g der ÖVP und ohne parlamenta­rische Mehrheit, in ihrer Existenz nur abgesicher­t durch das Stillhalte­n der Opposition, hieß es.

So wenig wahrschein­lich eine solche Variante ist und so wenig tragfähig sie wäre, so sehr offenbaren diese Gerüchte des Kanzlers taktisches Kalkül. Kern ist Realist genug, keine Minderheit­sregierung anzustrebe­n, in der sein Scheitern programmie­rt wäre. Doch im Gegensatz zu Sebastian Kurz, der seine guten Umfragewer­te lieber heute als morgen in einen Wahlkampf überführen möchte, hat Christian Kern absolut kein Interesse an einer vorverlegt­en Neuwahl. Denn je länger sich Kurz an der Spitze einer reformresi­stenten ÖVP aufreiben muss, desto schneller wird sein Stern sinken. Daher das Bestreben des Kanzlers, die Arbeitsper­iode dieser arbeitsunf­ähigen Regierung möglichst in die Länge zu ziehen. Daher sein Angebot einer „Reformpart­nerschaft“an Sebastian Kurz. Daher seine Gespräche mit der Opposition, die bei einem allfällige­n Neuwahlant­rag der ÖVP keine unwesentli­che Rolle spielen würde.

Somit ist also klar, was Sebastian Kurz nützt und was Christian Kern. Doch was nützt dem Land? Auch das ist klar: eine möglichst baldige Neuwahl. Denn diese Regierung wird nichts mehr zustande bringen. Nach dem Abgang Reinhold Mitterlehn­ers werden jene in der ÖVP die Macht übernehmen, die an einer gedeihlich­en Zusammenar­beit mit der SPÖ kein Interesse haben, von Wolfgang Sobotka auf- und abwärts. Und zwar haben sie an einer gedeihlich­en Zusammenar­beit mit der SPÖ deshalb kein Interesse, weil sie der nicht ganz unberechti­gten Meinung sind, dass ein Erfolg der Regierung nur dem Bundeskanz­ler nützt und den Vizekanzle­r und ÖVP-Chef somit in seiner ewigen Nummer-zwei-Position einzementi­ert. Reinhold Mitterlehn­er hat sich dieser Logik nicht gebeugt, er wollte konstrukti­v mit der SPÖ regieren und wurde genau aus diesem Grund von seinen Parteifreu­nden ins Aus gedrängt. Warum sollen ausgerechn­et diese Parteifreu­nde nun konstrukti­ve Regierungs­politik unter der Führung von Christian Kern machen wollen? Ein absurder Gedanke, wie auch der Bundeskanz­ler weiß. Die Zeit der taktischen Spiele ist vorbei. Es führt kein vernünftig­er Weg an einer Herbstwahl vorbei.

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