Altes Hirn wird wieder jung
Gut zu altern ist der Wunsch aller Menschen. Wissenschafter arbeiten weltweit daran, um herauszufinden, wie das gelingen kann. Sie sind schon recht weit gekommen. Lebenslange Eigeninitiative ist auch gefragt.
Die moderne Gehirnforschung hat längst nachgewiesen, dass sich das Gehirn ein Leben lang formt. Salzburger Forscher beschäftigen sich nun mit seiner Selbstheilungskraft. Entscheidend ist dabei, Entzündungsreaktionen zu verhindern.
SALZBURG. Der Volksmund sagt: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“Doch die moderne Gehirnforschung hat diese Vorstellung längst widerlegt. Das Gehirn formt sich ein Leben lang.
Die Frage, die sich Forscher auf der ganzen Welt stellen, ist, was ein Gehirn alt macht und ob solche Prozesse eventuell rückgängig gemacht werden können. Julia Marschallinger, Wissenschafterin am Institut für Molekulare Regenerative Medizin der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) Salzburg und an der Stanford University, gehört zu ihnen: „Wir vom Institut für Molekulare Regenerative Medizin setzen auf die endogenen Regenerationsprozesse des Gehirns, also auf seine Selbstheilungskraft. Man weiß, dass im Gehirn immer wieder neue Nervenzellen entstehen, wenn auch im Alter weniger als in der Jugend. Wir schauen nach, was sich mit der Zeit im Gehirn verändert und warum und was im Blut, im Fettgewebe und in den Muskeln passiert, denn das Gehirn ist kein isoliertes Organ.“
Im Fokus ist der Hippocampus, jene Gehirnregion, die für das Erinnern und Speichern von Gedächtnisinhalten wichtig ist. Der Hippocampus altert rascher als andere Teile des Gehirns, es bilden sich irgendwann keine neuen Nervenzellen mehr, doch chronische Entzündungen. Ein Grund: „Es gibt Entzündungszellen im Gehirn, die Mikroglia, die normalerweise wie Polizisten den Stoffwechsel kontrollieren. Mit zunehmendem Alter wird die Entzündungsreaktion größer, schädigt Nervenzellen und die Verbindungen zwischen den Nervenzellen“, sagt Julia Marschallinger.
Festgestellt haben die Wissenschafter, dass bei der Entzündung ein Signalweg zwischen bestimmten Molekülen aktiver ist und dass diese Reaktion auch bei Asthma vorkommt. Der „Leukotrien-Signalweg“, führt zu Entzündungsreaktionen sowie im Gehirn zur Hemmung der Nervenzellenerneuerung und zur Aufweichung der BlutHirn-Schranke. Leukotriene sind Entzündungsfaktoren, die von Immunzellen gebildet werden. Es gibt Medikamente, die diesen Signalweg blockieren, eines davon ist seit 15 Jahren für Asthma zugelassen und arbeitet ohne Nebenwirkungen.
Die Salzburger Forscher haben es an alten Ratten getestet. Deren Gehirne haben sich regeneriert. Erste klinische Studien mit Demenzpatienten hätten ermutigende Ergebnisse gezeigt, sagt Julia Marschallinger.
Mit der Frage, woher die Entzündung kommt, beschäftigt sich in Stanford der Biologe Tony Wyss-Coray. Er hat einen Alterungsfaktor im Blut gefunden und im Experiment gezeigt, dass das Blut junger Mäuse das Gehirn alter Mäuse regenerieren kann. Die entzündungsfördernden Alterungsstoffe im Blut könnten aus dem Fettgewebe vor allem des Bauches kommen. Seit langem ist bekannt, dass sich bei Übergewicht dort Entzündungsreaktionen bilden und dass Übergewicht ein Risikofaktor für Demenz ist.
Das führt zur Frage, ob wir selbst etwas tun können, um unser Gehirn fit zu halten. Julia Marschallinger erklärt es: „Eine Ernährung mit wenig Zucker und Fett ist gut, denn beides führt zu Entzündungen im Gehirn, wie der Versuch an Mäusen zeigte. Der Muskel ist auch ein Gewebe, das schnell altert, wenn man nichts dagegen tut. Es gibt viele Studien, die zeigen, dass Sport die Gedächtnisleistung verbessert. Sport ist also wichtig, Ausdauersport wirkt hier besser als Krafttraining. Drei Mal pro Woche eine halbe Stunde genügt. Sport hilft, dass sich neue Nervenzellen bilden.“