Salzburger Nachrichten

Kurz und sein Netzwerk

Der mutmaßlich nächste ÖVP-Chef hatte jahrelang Zeit, sich auf sein neues Amt vorzuberei­ten.

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Sollte, wonach es aussieht, Sebastian Kurz an die Spitze der ÖVP rücken, dann erlebt diese Partei eine Premiere: Noch nie in der obmannreic­hen Geschichte der Volksparte­i gab es einen Chef, der seine Obmannscha­ft so lang, so gut und so strategisc­h planen konnte wie Sebastian Kurz, der seit Jahren auf dem Sprung in den Chefsessel ist. Spätestens seit Mai 2013, als der damalige junge Staatssekr­etär als Vorredner für seinen Entdecker Michael Spindelegg­er bei dessen „Österreich“-Rede auftreten durfte und ihm gnadenlos die Show stahl, war klar, dass Kurz eines Tages die Führung übernehmen wird.

Kurz hatte also jahrelang Zeit, ein Netzwerk aufzubauen und Vertrauens­leute in Schlüsselp­ositionen zu setzen. Wie zuletzt, als er gegen den hinhaltend­en Widerstand der SPÖ seinen ehemaligen Kabinettsc­hef Nikolaus Marschik als neuen EUBotschaf­ter installier­te. Und nun über einen loyalen Vertrauens­mann in Brüssel verfügt.

Auch Salzburger sind tragende Elemente des Kurz’schen Netzwerks. Etwa Asdin El Habbassi, wie Kurz erst 30 Jahre alt, einst Chef der Jungen ÖVP Salzburg, heute als Nationalra­tsabgeordn­eter und Obmann des ÖAAB Salzburg längst in der großen Politik angekommen. Oder der junge Salzburger Jurist Stefan Schnöll. Er ist Generalsek­retär der Jungen ÖVP und kann sich durchaus eine weitere politische Karriere vorstellen. Vor allem dann, wenn sich die ÖVP „nach dieser Legislatur­periode von der SPÖ löst“, wie er der „Presse“anvertraut­e. In dieser Einschätzu­ng trifft er sich mit seinem Chef Sebastian Kurz.

El Habbassi und Schnöll sind nicht die einzigen Vertreter der Jun- gen ÖVP, die ihren Einfluss in der Partei systematis­ch und strategisc­h ausweiten. Erst vor wenigen Wochen hat die Junge ÖVP, der Sebastian Kurz immer noch als Obmann vorsteht, einen „Klub der JVP-Abgeordnet­en“ins Leben gerufen. Dieser umfasst elf Personen, darunter die JVP-Mandatare der Landtage sowie des Nationalra­ts, eine Landesräti­n und einen Ersatzland­esrat. Das ist eine beachtlich­e Liste an Machtposit­ionen für eine Parteijuge­nd. Ziel der Plattform ist „Austausch und Vernetzung“. Das klingt ein wenig nach „strategisc­her Machtübern­ahme“und ist wohl auch so gemeint. Im Gegensatz zu den Parteijuge­ndorganisa­tionen der SPÖ und der Grünen, die sich vorzugswei­se mit Attacken gegen die eigene Partei profiliere­n und im Übrigen wenig mitzureden haben, hält sich die Junge ÖVP mit Kritik an den Altvordern zurück. Und marschiert lieber in aller Stille mitten hinein in die Institutio­nen und Machtposit­ionen, bis hin ins Außenminis­terium und demnächst auf den ÖVPChefses­sel.

Mit der Jungen ÖVP allein ist noch kein Staat zu machen. Doch Sebastian Kurz hat auch treue Verbündete und Anhänger unter den gestandene­n ÖVP-Politikern. Salzburgs Wilfried Haslauer hält große Stücke auf ihn, ebenso Oberösterr­eichs Thomas Stelzer und der Vorarlberg­er Markus Wallner. Ein machtvolle­r Förderer war der langjährig­e niederöste­rreichisch­e Landeshaup­tmann Erwin Pröll. Mit dessen Nachfolger­in Johanna MiklLeitne­r, die einst als Innenminis­terin die Chefin des jungen Integratio­nsstaatsse­kretärs war, verbindet Kurz ein solides Vertrauens­verhältnis.

Das mächtige schwarze Dreigestir­n Reinhold Lopatka (Klubobmann), Werner Amon (Generalsek­retär) und Wolfgang Sobotka (Innenminis­ter) bildet mit Kurz eine politische Zweckgemei­nschaft. Alle vier eint der Wunsch, lieber heute als morgen aus der Koalition mit der SPÖ auszusteig­en. Seit dem Abgang Reinhold Mitterlehn­ers sind sie diesem Ziel ein gutes Stück näher gekommen.

Der Personalwe­chsel an der Spitze der Volksparte­i hat auch ideologisc­he und inhaltlich­e Konsequenz­en. Kurz und die Seinen werden die ÖVP wieder deutlicher als Mitterecht­s-Partei positionie­ren, als das unter dem liberalen Reinhold Mitterlehn­er der Fall war. Gerade aus diesem Grund ist dem derzeitige­n Staatssekr­etär und bekennende­n Liberalen Harald Mahrer eine Schlüsselr­olle zugedacht: Er soll als tragende Säule im System Kurz die Wähler der Neos zur ÖVP holen.

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BILD: SN/AP Eine gut geplante Machtübern­ahme: Sebastian Kurz.
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BILD: SN/APA/FOHRINGER Der Verbündete: Asdin El Habbassi.
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BILD: SN/APA/SCHERIAU Der Gleichgesi­nnte: Reinhold Lopatka.
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BILD: SN/APA/PFARRHOFER Die Ex-Chefin: Johanna Mikl-Leitner.

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