Salzburger Nachrichten

Und wieder lockt der Marathon der klangvolle­n Mythen

Die Wiener Staatsoper bietet heuer als einziges Opernhaus einen kompletten „Ring des Nibelungen“.

- Das Ende: Siegfried, tot im Boot. Richard Wagner, „Der Ring des Nibelungen“, Wiener Staatsoper. „Das Rheingold“, 20. Mai; „Die Walküre“, 21. Mai; „Siegfried“, 28. Mai, „Götterdämm­erung“, 5. Juni.

Das Theater der Zukunft wollte er schaffen, es ist als Theater der Wunder lebendig geblieben. Richard Wagner hat mit dem „Ring des Nibelungen“ein Meisterwer­k geschaffen, das bis heute viele geradezu süchtig macht, aber auch zu Exerzitien zwingt bei einer Spieldauer von bis zu 16 Stunden in vier Raten. Die Wiener Staatsoper stemmt heuer wieder die riesige Aufgabe, am Mittwoch ging der erste Durchlauf mit der „Götterdämm­erung“glücklich zu Ende. Man kann dem 78-jährigen Dirigenten Peter Schneider und dem Staatsoper­norchester nur größten Respekt zollen, und dass auf die lange Spieldauer ohne Proben nicht alles perfekt sein konnte, darf man nachsehen. Dem Regisseur SvenEric Bechtolf muss man zugestehen, für den mythologis­chen Vierteiler eine anschaulic­he Erzählweis­e zu finden, die keine Verwirrung aufkommen lässt und auch unterhält. Bei „Siegfried“lässt Wagner sogar Humor einfließen, was die SängerDars­teller zu nutzen wussten. Am vergangene­n Sonntag konnten sich nach fünfeinhal­b Stunden alle im Jubel sonnen. Stefan Vinke ist ein Siegfried mit einer immensen Kondition. Es gibt strahlende­re Heldentenö­re, aber vom streitbare­n Ziehsohn Mimes bis hin zum Drachentöt­er und zuletzt Brünnhilde­s Erwecker war Vinke standfest und auch amüsant. Ein Kumpeltyp bis zuletzt, als er dem Speer von Hagen zum Opfer fällt. Der Charaktert­enor Wolfgang Ablinger-Sperrhake bot eine Leistung auf Weltniveau als extrem spielfreud­iger Mime, dem nur einer das Wasser reichen konnte: Thomasz Konieczny als Wanderer/Wotan. Eine großformat­ige Klasseleis­tung und darsteller­isch ausgefeilt, ebenfalls mit einer Prise Humor. Nachdem er Mime in Angst und Schrecken versetzt hat, vergisst Wotan beinahe seinen Speer, der später dem Schwerthie­b Siegfrieds zum Opfer fällt. Das Finale dieses „Siegfried“litt ein wenig unter dem beinahe kindischen Verhalten, das der Held und Brünnhilde, die er aus dem Schlafbann Wotans befreit, an den Tag legen müssen. Auch Petra Lang scheint nicht ihren besten Tag gehabt zu haben, was sich in der „Götterdämm­erung“änderte. Da wurde die Sopranisti­n sogar als kränkelnd angesagt, ließ sich aber nichts anmerken und wuchs in der Finalszene über sich hinaus.

Diese „Götterdämm­erung“hatte es in sich, Peter Schneider stellte samt großartige­r Orchesterw­ogen mit rund sechs Stunden einen neuen Rekord auf, den man aber nur auf der Uhr merkte, nicht gefühlsmäß­ig. Im schnörkell­osen Bühnenbild von Rolf Glittenber­g entwickelt­e sich der Abend dank der sängerisch­en Leistungen – als Waltraute war sogar Waltraud Meier im Einsatz – packend, von den Nornen über den Gibichunge­nhof, wo der unheimlich­e Hagen (Falk Struckmann) mit dem schwächlic­hen Geschwiste­rpaar (Markus Eiche, Gunter, Regine Hangler, Gutrune) seine finsteren Rachepläne durchzieht und Siegfried dank des Vergessens­trunks in die Falle geht. Brünnhilde ist entsetzt über den Verrat und verrät ihrerseits Siegfried, um hernach den Ermordeten zu betrauern und den verfluchte­n Ring des Nibelungen wieder dem Rhein zu übergeben. Die Welt der Götter ist untergegan­gen, im Hintergrun­d wartet bereits ein „neues“Menschenpa­ar . . . Opern:

 ?? BILD: SN/STAATSOPER/MICHAEL PÖHN ??
BILD: SN/STAATSOPER/MICHAEL PÖHN

Newspapers in German

Newspapers from Austria