Und wieder lockt der Marathon der klangvollen Mythen
Die Wiener Staatsoper bietet heuer als einziges Opernhaus einen kompletten „Ring des Nibelungen“.
Das Theater der Zukunft wollte er schaffen, es ist als Theater der Wunder lebendig geblieben. Richard Wagner hat mit dem „Ring des Nibelungen“ein Meisterwerk geschaffen, das bis heute viele geradezu süchtig macht, aber auch zu Exerzitien zwingt bei einer Spieldauer von bis zu 16 Stunden in vier Raten. Die Wiener Staatsoper stemmt heuer wieder die riesige Aufgabe, am Mittwoch ging der erste Durchlauf mit der „Götterdämmerung“glücklich zu Ende. Man kann dem 78-jährigen Dirigenten Peter Schneider und dem Staatsopernorchester nur größten Respekt zollen, und dass auf die lange Spieldauer ohne Proben nicht alles perfekt sein konnte, darf man nachsehen. Dem Regisseur SvenEric Bechtolf muss man zugestehen, für den mythologischen Vierteiler eine anschauliche Erzählweise zu finden, die keine Verwirrung aufkommen lässt und auch unterhält. Bei „Siegfried“lässt Wagner sogar Humor einfließen, was die SängerDarsteller zu nutzen wussten. Am vergangenen Sonntag konnten sich nach fünfeinhalb Stunden alle im Jubel sonnen. Stefan Vinke ist ein Siegfried mit einer immensen Kondition. Es gibt strahlendere Heldentenöre, aber vom streitbaren Ziehsohn Mimes bis hin zum Drachentöter und zuletzt Brünnhildes Erwecker war Vinke standfest und auch amüsant. Ein Kumpeltyp bis zuletzt, als er dem Speer von Hagen zum Opfer fällt. Der Charaktertenor Wolfgang Ablinger-Sperrhake bot eine Leistung auf Weltniveau als extrem spielfreudiger Mime, dem nur einer das Wasser reichen konnte: Thomasz Konieczny als Wanderer/Wotan. Eine großformatige Klasseleistung und darstellerisch ausgefeilt, ebenfalls mit einer Prise Humor. Nachdem er Mime in Angst und Schrecken versetzt hat, vergisst Wotan beinahe seinen Speer, der später dem Schwerthieb Siegfrieds zum Opfer fällt. Das Finale dieses „Siegfried“litt ein wenig unter dem beinahe kindischen Verhalten, das der Held und Brünnhilde, die er aus dem Schlafbann Wotans befreit, an den Tag legen müssen. Auch Petra Lang scheint nicht ihren besten Tag gehabt zu haben, was sich in der „Götterdämmerung“änderte. Da wurde die Sopranistin sogar als kränkelnd angesagt, ließ sich aber nichts anmerken und wuchs in der Finalszene über sich hinaus.
Diese „Götterdämmerung“hatte es in sich, Peter Schneider stellte samt großartiger Orchesterwogen mit rund sechs Stunden einen neuen Rekord auf, den man aber nur auf der Uhr merkte, nicht gefühlsmäßig. Im schnörkellosen Bühnenbild von Rolf Glittenberg entwickelte sich der Abend dank der sängerischen Leistungen – als Waltraute war sogar Waltraud Meier im Einsatz – packend, von den Nornen über den Gibichungenhof, wo der unheimliche Hagen (Falk Struckmann) mit dem schwächlichen Geschwisterpaar (Markus Eiche, Gunter, Regine Hangler, Gutrune) seine finsteren Rachepläne durchzieht und Siegfried dank des Vergessenstrunks in die Falle geht. Brünnhilde ist entsetzt über den Verrat und verrät ihrerseits Siegfried, um hernach den Ermordeten zu betrauern und den verfluchten Ring des Nibelungen wieder dem Rhein zu übergeben. Die Welt der Götter ist untergegangen, im Hintergrund wartet bereits ein „neues“Menschenpaar . . . Opern: