Eine Nonne geht durchs Feuer
Seit 1987 lebt Schwester Andrea Stadermann in der Benediktinerinnen-Abtei St. Hildegard bei Rüdesheim. Arbeiten, Lesen und Beten gehören zum Alltag. Aber manchmal wird es auch brenzlig.
RÜDESHEIM. Eine Nonne als Feuerwehrfrau – im hessischen Rüdesheim ist das seit drei Jahren Normalität. „Andrea, denk dran: Je höher du kommst, desto näher mit dem Schwerpunkt an die Leiter, damit du sicher bist“, ruft Björn Rosenbach. „Ja-ha“, ist die knappe Antwort. Der stellvertretende Stadtbrandinspektor schaut der Feuerwehrfrau hinterher, wie sie die 30 Meter lange Leiter behände nach oben klettert.
„Dem Himmel so nah“, murmelt neben ihm der stellvertretende Wehrführer Jörg Müller. Es ist eine normale Übungseinheit der Freiwilligen Feuerwehr Rüdesheim am Rhein. Die Abteilung Eibingen probt den Umgang mit der Drehleiter, etwa zur Rettung verletzter Personen. Was für die Beobachter nicht zu sehen ist: Schwester Andrea Stadermann lebt als Nonne in der nahen Abtei St. Hildegard.
Seit drei Jahren zählt sie zu den 21 Eibinger Feuerwehrleuten. Sie ist die einzige Frau und nach Angaben des Bistums Limburg zumindest im Bistum auch die einzige Feuerwehrnonne. „Viele Ordensleute engagieren sich ehrenamtlich, weil sie draußen in der Welt wirken wollen, aber eine Nonne bei der Feuerwehr, das ist schon ungewöhnlich“, sagt Pressesprecher Stephan Schnelle.
Die Abtei St. Hildegard hatte 2014 eine neue Brandschutzbeauftragte gesucht, da kam die 52-jährige Hausmeisterin gerade recht.
Spätestens nach ihrem Maschinistenlehrgang war ihr klar: Wenn, dann richtig. „Nur zuschauen – das ist nicht mein Ding“, gibt sie zu. Auch wenn die Schwester für brenzlige Situationen nach der Kletterei auf der 30 Meter langen Leiter bekennt: „Da hat man schon auch ein bisschen Muffensausen.“Bei Bränden ist Schwester Andrea meist für die Wasserversorgung zuständig, sie kann die Pumpe bedienen und im Notfall mit einem Winkelschleifer umgehen. Nur die Einsätze mit schweren Atemschutzgeräten überlässt sie den jüngeren Männern. „Das muss man sich mit über 50 nicht mehr antun.“Bis zu 40 Einsätze hat die Nonne im Jahr.
Ob sie gerade im Gebet ist oder gerade bei der Arbeit: Wenn der Piepser losgeht, muss sich Schwester Andrea beeilen. „Nur von einer Beerdigung oder einer wichtigen Besprechung würde ich jetzt nicht sofort losrennen“, sagt sie. Zwar fehle sie während eines Einsatzes im Kloster, für Schwester Andrea ist ihre Arbeit bei der Feuerwehr aber auch ein wichtiges Bindeglied zur Bevölkerung und ein Dienst am Nächsten. „Viele kennen mich und freuen sich, wenn wieder die Schwester dabei ist.“
Muss es schnell gehen, fährt Andrea Stadermann auch einmal in voller Ordenstracht mit ihrem Roller die drei Minuten bis zur Wache. Viel Platz zum Umziehen hat die Nonne hier nicht, die kleine Mannschaft ist noch nicht auf Frauen eingerichtet. „Für uns wären mehr weibliche Mitglieder praktisch“, sagt Jörg Müller. „Wenn sie aus Eibingen kommen, könnten sie wie Andrea als Erste am Einsatzort sein.“Viele Kameraden arbeiteten nicht im Dorf und müssten im Notfall erst längere Wege zurücklegen.
Auch wenn die zierliche Frau manchmal etwas verloren wirkt zwischen all den Männern, sie gehört zum Team. „Das hat sich eingespielt und ist mittlerweile ganz normal“, erzählt Brandmeister Heinz Georg Weis.
Für Schwester Andrea waren ihre Kenntnisse auch schon im Kloster hilfreich. Eine ältere, blinde Schwester hatte sich verletzt und lag mit gebrochenem Oberschenkel hinter verschlossener Tür. „Die Holztür habe ich angesägt, um den verkanteten Schlüssel zu lösen und dann die Tür aufzubrechen“, berichtet die Nonne fachmännisch.
Außerdem wisse sie jetzt, was zu tun sei, falls es in der Abtei mal brennen sollte. Einmal im Monat testet sie die Notstromversorgung. Demnächst will sie mit ihren Schwestern die erste Brandschutzübung machen.
„Viele kennen mich und freuen sich, wenn die Schwester wieder dabei ist.“Sr. Andrea, Feuerwehrfrau