Programmieren wird zu einer Schlüsselqualifikation
Programmieren kann man lernen und es wird aufgrund des digitalen Wandels stark nachgefragt. Bisher ist es eine ungenutzte Chance.
Besuch bei einem weltbekannten Maschinenbauunternehmen: „Nein, HTL-Abgänger können wir keine mehr nehmen, die können alle nicht programmieren“, sagt der Entwicklungschef. Er wurde von der Zentrale beauftragt, die gesamte Maschinen-Planung und -Entwicklung in ein digitales 3D-Modell zu übertragen und diesen digitalen Zwilling zum Vorläufer jeder echten Maschine zu machen, die später das Fabriksgelände verlassen wird. Er hat in den vergangenen Monaten Dutzende Coder angestellt, wie Programmierer international heißen, die an Hochschulen Informatik studiert haben.
„Wie kann es sein, dass HTL so am Bedarf der Wirtschaft vorbeiarbeiten?“, fragt man sich im ersten Moment. Denn der Maschinenbauer ist kein Einzelfall, sondern die Digitalisierung schlägt in allen Branchen durch. Und überall werden Mitarbeiter gesucht, die die entsprechenden technischen Kenntnisse mitbringen. Das ist nun einmal Software-Schreiben.
Doch schon im zweiten Moment fällt einem ein, dass Programmieren so gut wie nirgends ein Unterrichtsfach ist. Ist das noch zeitgemäß? Programmieren wird nicht als allgemeine Kompetenz gesehen, die jeder Nutzer digitaler Geräte haben sollte, sondern als Spezialausbildung, die nur an einschlägigen Schulen und Hochschulen mit Informatik-Schwerpunkt gelehrt wird. Das heißt: Ein paar Tausend Absolventen im Jahr stehen einem geschätzt zehnfach größeren, konstant wachsenden Jobmarkt gegenüber. Die Kluft zwischen der Nachfrage nach IT-Experten mit Kenntnissen in aktuellen Programmiersprachen und dem Angebot ist mittlerweile so groß, dass IT-Berufe in Österreich ein offizieller Mangelberuf sind.
In einigen Ländern, wie der Schweiz und Jordanien, werden Flüchtlinge mittlerweile in dreimonatigen Coding-Bootcamps in den BasisProgrammiersprachen ausgebildet. Für sie ist es eine Jobchance. Die Idee der Schnellsiede- kurse in Coding kommt aus den USA und Kanada, wo sich mittlerweile viele Umsteiger, Einsteiger und Aufsteiger in mehrmonatigen Bootcamps Basiskenntnisse aneignen. Das ersetzt kein Studium, aber es kann als „Learning by doing“einen Teil des Mangels beheben.
Auch wenn man nicht selbst programmiert, erleichtern Intensivkurse das Verstehen digitaler Anforderungen und die Zusammenarbeit mit Experten. Beim Schweizer Medienkonzern Ringier gibt es daher für Topmanager eine Einführung ins Programmieren. Und in Wien entstand mit SmartNinja unter tatkräftiger weiblicher Unterstützung eine der ersten Programmierschulen. Ein Tropfen auf den heißen Stein – die Herausforderung ist viel, viel größer.