Junge Politiker und jüngere Chefs in der Wirtschaft. Wir bräuchten mehr von ihnen, davon sind Experten überzeugt.
Junge Politiker und jüngere Chefs in der Wirtschaft. Wir bräuchten mehr von ihnen, sagen Experten. Der Wandel ist schwierig.
SALZBURG. In Österreich schickt sich mit Sebastian Kurz ein 30-Jähriger an, Kanzler zu werden. Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron ist 39 Jahre jung, und bei der AUA-Mutter Lufthansa ist man neuerdings der Ansicht, mit einem Altersdurchschnitt von 52 Jahren ist die eigene Führungsriege zu alt.
Das alles ist kein Zufall, aber auch noch kein großer Trend, wenngleich das Thema jüngere Führungskräfte kluge Köpfe in der Wirtschaft massiv beschäftigt. Der Grund sei einfach, erklärt Werner Wutscher, früher Rewe-Vorstand und nun Geschäftsführer von New Venture Scouting, das sich als Brückenbauer zwischen Unternehmen und Start-ups versteht, um Innovation zu generieren: Denn die Jungen hätten Kompetenzen, die in Zeiten der Digitalisierung gebraucht würden, sagt Wutscher. In Österreich sei hier im Vergleich zu Deutschland aber noch wenig in Bewegung.
Laut einer Studie der Managementberatung Kienbaum wird die digitale Kompetenz in österreichischen Aufsichtsräten zwar für wichtig erkannt, allein die Eigentümervertreter und Sparringpartner der Geschäftsführer haben selbst kaum eine. Wutscher betont, derzeit sei die Kombination von älteren Führungskräften mit Erfahrung und Jungen wichtig – „noch“. Doch wenn sich Märkte und Geschäftsmodelle völlig verändern, verlieren die Erfahrungen aus alten Zeiten allmählich an Bedeutung.
Margarete Schramböck, A1/Telekom-Austria-Chefin (47), wurde mit nur 26 Jahren Chefin der technischen Abteilung von Alcatel mit mehreren Hundert Mitarbeitern, mit 32 war sie dann Geschäftsführerin des IT-Dienstleisters NextiraOne. „Man darf oft nicht lange überlegen, sondern muss sich einfach trauen. Wenn wir die Chance bekommen, muss man sich auch mal auf das Gespür und das Vertrauen anderer verlassen“, sagt Schramböck. Junge hätten den Mut, neue Wege zu gehen. „Vor allem haben sie keine Erfahrung, die sie dazu verleitet, die Vergangenheit in die Zukunft fortschreiben zu wollen.“Als Nachteil sieht sie, dass Junge noch keine Fehler gemacht haben. Schramböck ist überzeugt, dass man auch in traditionellen ITUnternehmen jünger werden müsse. „Wir müssen dabei das Potenzial sehen und nicht, ob jemand einen Job schon einmal gemacht hat.“Junge Führungskräfte würden am besten dadurch unterstützt, dass man Fehler zulasse und agil agiere. Und sie rät jungen Führungskräften zu Mentoren-Programmen. Für die A1-Vorstandsvorsitzende ist das di- gitale Know-how der jungen Generation Grundvoraussetzung, um die Transformation in den Unternehmen voranzutreiben. „Es genügt aber nicht, dieses Know-how ausschließlich bei Experten zu haben, es muss auch in den Führungsetagen durchgängig vorhanden sein“, sagt sie. Digitale Transformation ohne digital kompetente Führungskräfte sei nicht möglich.
Eine Veränderung der aktuellen Situation fordert auch Coach und Karriere-Entwickler Lars Maydell (Maydell Advice), früher Headhunter bei Egon Zehnder. Man müsse die Stimme der Jungen in den Führungsebenen hören, das fehle in Österreich. „Wenn der oder die 35-Jährige aber fehlt, dann fehlt ein Beurteilungskriterium“, sagt Maydell. Es gebe kein Argument, dass 35-Jährige nicht so gut führen könnten wie Ältere, „gerade jetzt, da wir einen Paradigmenwechsel weg von der Erfahrung hin zur Disruption erleben. Für ein selbstfahrendes Auto nützt Erfahrungswissen wenig.“
Junge könnten sich laut Maydell in hoher Geschwindigkeit in ein Thema einarbeiten, „sie beißen sich durch, um Projekte fertigzustellen, sie trauen sich zu scheitern und sind daher kreativer“. Dennoch glaubt der Karrierespezialist, dass Unternehmen Ältere und Junge brauchen. „Doch wir unterschätzen derzeit das Potenzial von Menschen und bevorzugen die Erfahrung.“Man müsse junge Talente aber größere Sprünge machen lassen, sonst gingen sie zu den Talente-Magneten wie im Silicon Valley. Doch die Aufsichtsräte sind extrem konservativ und Headhunter auch nicht sehr mutig, wenn es darum geht, junge Mitarbeiter für Spitzenpositionen vorzuschlagen. An einen schnellen Wandel in Richtung junger Chefinnen und Chefs glaubt Maydell daher nicht.
Wutscher gibt zu bedenken, dass eine junge Führungskraft allein es nie richten könne. Das sei wie bei Frauen im Management. Eine allein tue sich schwer. Mit den Jungen ändere sich aber auch in der Kultur von Unternehmen etwas. „Sie stellen andere Sinnfragen ans eigene Tun und ans Tun des Unternehmens und wollen selten Tag und Nacht arbeiten“, sagt Wutscher.
Frischer Wind in den Chefetagen tut nicht nur den großen Unternehmen gut. Davon ist der Direktor der KMU Forschung Austria, Peter Voithofer, überzeugt. Die rund 325.000 kleinen und mittelständischen Unternehmen sind der beständig brummende Motor in Österreichs Wirtschaft. Die Veränderungsgeschwindigkeit habe sich in Zusammenhang mit Informationstechnik und Digitalisierung allerdings erhöht, betont Voithofer, „man braucht Leute, die anders, die querdenken“. Die Frage, ob ein junger oder älterer, langgedienter Chef am Ruder sitzt, steht für ihn dabei nicht im Vordergrund. „In der Regel ist es gut, wenn man die Zeichen der Zeit so erkennt, dass es nicht zu einem Entweder-oder kommt, sondern zu einem gemeinsamen Und von Jung und Alt.“Mit dem Bestreben nach einem höheren Pensionsantrittsalter werde die gute Zusammenarbeit zwischen den Generationen in den Betrieben einen noch höheren Stellenwert erhalten als bisher. Anders als derzeit vielleicht in der Politik gehe es auf betrieblicher Ebene um Evolution und nicht um Revolution, „es geht um Veränderung und nicht um Erstarrung des Ganzen“. Eine gewisse Fähigkeit zur Selbstkritik und Lebenserfahrung seien dabei „schon nicht schlecht“. Sesselkleber aber seien nicht überall die gelebte Praxis. Nachfolger in Familienunternehmen und Neugründer in Österreich sind im Schnitt etwa gleich alt, zwischen 30 und 34 Jahre.
Speziell bei den Neugründern sei ein Ansteigen des Durchschnittsalters zu verzeichnen. Denn anders als früher würden sie heute längere Ausbildungen absolvieren.
„Mit den Jungen ändert sich auch in der Kultur von Unternehmen etwas.“Werner Wutscher, Unternehmer