Lachen passiert im Zwischenraum
Lachen ist höchst angenehm. Aber es absichtlich zu wecken ist schwierig. Wie gelingt das einem Kabarettisten?
Drei Stunden lang vermag Alex Kristan sein Publikum auf Lachtrab zu halten. Er ist ein prägnanter Schauspieler, er changiert virtuos zwischen Wiener oder Kärntner Dialekt und Hochsprache, er imitiert Stimmen von Prominenten. Kurzum: Er glänzt – wie am Freitagabend im Oval in Salzburg – mit darstellerischem Können. Aber warum ist das lustig? Bloß, weil er von Lampen, Staubsaugern, GPS und Luftbefeuchtern erzählt? SN: Wie bringt man Leute zum Lachen? Alex Kristan: Haha! Mit solchen Fragen! Nein, im Ernst: indem man sie dort abholt, wo sie sind. Die Leute kommen in ein Kabarett, um anzuschauen, was sie interessiert. Sie kommen zu mir mit einer Erwartungshaltung. Die gilt es zu erfüllen. SN: Wieso erfüllen? Lachen entsteht doch erst, wenn Erwartungen gebrochen werden. Hm. Aber wenn ich zu den Rolling Stones gehe und die spielen Mozart, bin ich verärgert. SN: Aber man lacht nicht über das, was man erwartet. Schon, doch der auf der Bühne muss einen Standpunkt haben. Und das Publikum muss mir glauben, was ich da oben mache. Damit meine ich Authentizität.
Aber klar, Kabarett soll in erster Linie amüsieren. Wenn in einer Vorstellung niemand lachte, dann hätte ich es nicht geschafft, zwischen dem Publikum und mir eine Verbindung herzustellen. SN: Wie verhindert man das? Indem man dem Publikum mit einer Mischung aus Schmäh, Humor und Witz etwas erzählt. Es ist eine Erzählung von einem Soll- und einem Ist-Zustand. Dazwischen spielt sich der Humor ab. Wie man diesen Zwischenraum herstellt und bespielt, ist Aufgabe des Akteurs. SN: Sichere Lacher bringen Ihre Parodien – sei’s von Hans Krankl, Niki Lauda, Arnold Schwarzenegger oder Frank Stronach. Ja, aber Parodien sind nur ein Teil meiner Programme, das ist nicht abendfüllend. Etwa zwanzig bis dreißig Prozent sind Parodien, der Rest bin ich oder sind erfundene Kunstfiguren. SN: Wer eignet sich zum Parodieren? Die Persönlichkeit muss bekannt sein und hohe Medienpräsenz haben, um leicht wiedererkennbar zu sein. Die Stimme muss also im Gehör der Zuhörer verankert sein. Zudem muss mich der Mensch interessieren. Bei Parodien bin ich auf der Suche nach Perfektion. Ich lese fast immer die Biografien der Menschen, die ich parodiere, oder ziehe mir alles an Interviews und Tondokumenten über YouTube rein. SN: Wer interessiert Sie? Vor allem Sportler. Politiker weniger, da die meisten glatt und rhetorisch rundgelutscht sind und keine Ecken und Kanten mehr haben. Sie reden viel und sagen oft wenig. Da gibt es wenig Angriffsfläche. SN: Dürfen Sie sich die Stimme eines anderen einfach aneignen und im Radio oder auf der Bühne Lacher ernten? Oder gibt es rechtliche Grenzen? Es muss als Parodie erkennbar sein, nötigenfalls muss man es dazusagen. Keinesfalls darf ich mit der Stimme eines anderen Werbung sprechen – mich kann keine Reifenfirma engagieren, weil ich billiger bin als Niki Lauda. Mit dem übrigens bin ich seit Langem im amikalen Austausch; auch die meisten anderen haben mich wissen lassen, dass sie meine Imitationen mögen. SN: Viele Kabarettisten erzeugen Lacher auf Kosten anderer. Warum geht das so gut? Es ist leicht, auf Personen hinzuhauen, die nicht da sind. Das ist eindimensional, das tu ich nicht. Die Komik entsteht auch dadurch, dass ich gescheit rede, aber in Wahrheit mich selbst lächerlich mache.
Im Programm „Heimvorteil“stelle ich mich als Technik-Freak dar. Ich rede über meine Hi-End-Finessen, die aber alle nicht funktionieren. Freilich werden auch gesellschaftlich relevante Themen behandelt – Schönheitsoperationen oder Konsumwahn. Aber das Lustige ist immer das Scheitern des Protagonisten. SN: Sie spielen „Heimvorteil“seit über zwei Jahren in bisher über 200 Auftritten. Wird das für Sie langsam fad? Gar nicht, denn jedes Publikum und jeder Abend ist anders. Außerdem muss ich immer davon ausgehen, dass jeder im Saal das Programm zum ersten Mal sieht. Dem darf es also egal sein, wie oft ich das Programm schon gespielt habe.
Meine Aufgabe ist es, jeden Abend, an dem ich auftrete, das gleiche Qualitätslevel zu erreichen, unabhängig davon, ob es die zwanzigste oder zweihundertste Vorstellung ist. Und je öfter ich ein Stück gespielt habe, umso weniger muss ich mich auf den Text konzentrieren, umso tiefer und schärfer kann ich in die Figuren hineingehen.
„Viele Politiker sind rhetorisch rundgelutscht.“
SN: Je routinierter, umso lustiger? Nein, eher so: Bei mir ist nicht jeder Abend gleich. Auf Punkt, Komma und Beistrich ein Programm 200 Mal zu spielen ist mir zu monoton. Aber die Routine erlaubt es mir, auch einmal aus der Spur des Textbuchs zu fahren und, wenn es passt, auch mit dem Publikum zu interagieren. Wenn mir spontan ein Gag einfällt, dann muss gedanklich Platz dafür sein. SN: Über wen lachen Sie? Haben Sie Vorbilder? Ich lach über Monika Gruber und Josef Hader, auch Klaus Eckel ist großartig. Ein Vorbild gibt es nicht. Denn da besteht die Gefahr, dass du deine eigene Identität und vor allem Originalität verlierst.