London trauert, Trump twittert
Der US-Präsident versucht, aus dem Terroranschlag in der britischen Metropole politisches Kapital zu schlagen. Beobachter stellen fest, dass Trumps mangelnder Charakter sich selten so krass gezeigt habe.
Diesmal blieb es nicht bei einem Twitter-Gewitter. Donald Trump wütete nach dem Anschlag in London wie ein Tornado durch die sogenannten sozialen Medien. Drei Tage lang benutzte der US-Präsident den Terror an der Themse als Aufhänger für seine Agenda. Zuletzt am Montagmorgen, als er das US-Justizministerium zurechtwies.
„Leute, die Juristen und Gerichte können es nennen, wie sie wollen“, sagte Trump und wirbt so für seinen zwei Mal vor Gericht gescheiterten Einreisestopp für Menschen aus sechs mehrheitlich muslimischen Ländern. „Aber ich sage, was wir brauchen: einen EINREISEBANN!“Das Justizministerium sollte auf eine beschleunigte Anhörung vor dem Verfassungsgericht drängen und eine viel schärfere Version durchsetzen. Trump erweckte den Eindruck, unabhängig von der Beschäftigung des Supreme Courts mit der Materie, eine Entscheidung nicht abwarten zu wollen. „In jedem Fall werden wir Leute EXTREM ÜBERPRÜFEN, die in die USA kommen wollen.“Die Gerichte seien „langsam und politisch“.
Noch bevor er den Briten seine Anteilnahme ausdrückte, verkündete Trump: „Wir müssen klug, wachsam und hart sein. Die Gerichte müssen uns unsere Rechte zurückgeben. Wir brauchen den Reisebann als extra Ebene an Sicherheit.“
Der Twitter-Tornando hielt am Sonntag dann völlig unvermittelt auf den Bürgermeister von London, Sadiq Khan, zu – den ersten Muslim, der eine europäische Metropole führt. Trump empörte sich mit einem völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Halbsatz Khans über dessen angebliche Gleichgültigkeit gegenüber dem Terror. Der Bürgermeister hatte nach dem letzten Anschlag die Bürger der Stadt aufgefordert, über die verstärkte Polizeipräsenz „nicht alarmiert zu sein“. Diese sei nötig, um die Stadt besser zu schützen. Ein Sprecher Khans reagierte auf die Verdrehung von dessen Worten deutlich: „Er hat wichtigere Dinge zu tun, als auf Donald Trumps schlecht informierte Tweets zu reagieren.“Während der Präsident am Sonntag zum Golfen ging, legte der Direktor für soziale Medien, Dan Scavino, mit einem in Großbuchstaben geschriebenen Appell an Khan nach: „WAKE UP !!!! “Wieder zurück vom Golfplatz konnte es sich der Präsident nicht verkneifen, eine Kontroverse zu schüren, die die Vereinigten Staaten von Amerika spaltet: „Merkt ihr, dass wir keine Debatte über Waffen haben? Das ist, weil sie Messer und einen Lkw benutzt haben.“
Politische Analysten meinen, die Aussichten eines „Reise-Banns“hätten sich damit weiter verschlechtert, weil Trump seine diskriminierende Absicht zu erkennen gegeben habe.
Die „Washington Post“kommentierte: „Der Londoner Anschlag bringt das Beste aus den britischen und westlichen Führern auf dem europäischen Kontinent zum Vorschein. Und er holt das Schlechteste aus Trump und seinen Anhängern heraus. Die Ersteren schützen die Seele der westlichen Zivilisation. Die Letzteren stoßen einen Pfahl durch die belebenden Ideen, die Amerika so besonders machen.“