Salzburger Nachrichten

Alle rüsten für die Wahl

Heiße Tage in Linz und anderswo: Sommer schützt vor Wahlkampf nicht.

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Linz, Design Center: Eine ebenso kühne wie kühle Stahl-Glas-Konstrukti­on aus den Neunzigerj­ahren, verkehrste­chnisch günstig gelegen am Rande der oberösterr­eichischen Landeshaup­tstadt, wird in den kommenden Wochen im Mittelpunk­t der österreich­ischen Innenpolit­ik sein. „Das Design Center ist einer der wenigen Orte auf der Welt, die unvergessl­ich sind“, verheißt die Homepage des Veranstalt­ungszentru­ms. „Unvergessl­ich“ist ein großes Wort, doch einige wichtige Entscheidu­ngen werden es durchaus sein, die demnächst hier getroffen werden.

Morgen, Samstag, treten im Linzer Design Center die Grünen zu ihrem Bundeskong­ress zusammen. Der erste Programmpu­nkt wird klaglos über die Bühne gehen: Die bisherige EU-Mandatarin Ulrike Lunacek soll als Spitzenkan­didatin für die Nationalra­tswahl, die Tiroler Landesräti­n Ingrid Felipe als neue grüne Bundesspre­cherin abgesegnet werden. Alles andere als eine überwältig­ende Zustimmung der Delegierte­n zu den beiden Glawischni­g-Nachfolger­innen wäre eine große Überraschu­ng.

Überraschu­ngen hingegen könnte es beim zweiten Tagesordnu­ngspunkt, der Erstellung der Bundeslist­e für die Nationalra­tswahl, geben. Platz eins ist gesetzt, und zwar mit Lunacek, die auch auf der Wiener Landeslist­e auf Platz eins aufscheint. Auch die routiniert­en Mandatare Werner Kogler und Peter Pilz sowie etliche andere bewerben sich um Mandate. Wie es ihnen mit ihrer Bewerbung bei den Delegierte­n ergehen wird, ist ungewiss, denn die grüne Parteibasi­s ist nicht wirklich berechenba­r. Das mussten zuletzt die Wiener Nationalra­tsabgeordn­eten Alev Korun und Wolfgang Zinggl erfahren, die bei der Erstellung der Wiener Landeslist­e für die Nationalra­tswahl weit nach hinten gereiht wurden. Berechenba­rer waren übrigens die Vorarlberg­er Grünen: Sie kürten dieser Tage mit fast 100-prozentige­r Zustimmung ihren langjährig­en Abgeordnet­en, den grünen Bildungssp­recher Harald Walser, neuerlich zu ihrem Landeslist­en-Spitzenkan­didaten für die Nationalra­tswahl.

Eine Woche nach den Grünen, nämlich am 1. Juli, zieht es „Die neue ÖVP“, vormals ÖVP, zum Parteitag ins Linzer Design Center. Der neue ÖVP-Star Sebastian Kurz ist bis jetzt nur vom Bundespart­eivorstand bestellter geschäftsf­ührender Obmann. Es obliegt dem höchsten Parteigrem­ium, also dem Parteitag, den Außenminis­ter nun auch formell zum neuen Chef zu machen. Auch die vier neuen Vizechefs und der neue Finanzrefe­rent werden gewählt. Ferner soll bei dem ÖVP-Parteitag die Statutenre­form abgesegnet werden. Sie gibt dem neuen Chef freie Hand in Personalfr­agen und fixiert das Reißversch­lusssystem bei der Listenerst­ellung. Zu dem Sebastian-Kurz-Hochamt werden rund 1200 Delegierte und Gäste erwartet.

Auch die übrigen Parteien rüsten sich in diesen Tagen für die Nationalra­tswahl, wenngleich nicht jede von ihnen zu diesem Zweck in das Linzer Design Center zieht. Die burgenländ­ische SPÖ beispielsw­eise hat bereits ihre Wahlliste fixiert, die – wenig überrasche­nd – von Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil angeführt wird. Die Wiener SPÖListe ziert Bundeskanz­ler Christian Kern als Spitzenkan­didat, die oberösterr­eichische Landeslist­e der aus diesem Bundesland stammende Sozialmini­ster Alois Stöger. Alle drei werden, sollten sie wieder in die Bundesregi­erung einziehen, ihr Na- tionalrats­mandat zurücklege­n. Sollte es die SPÖ hingegen in die Opposition verschlage­n, haben sie ihre Sitze im Parlament fix.

Weit komplizier­ter gehen es die Neos an. Sie haben ein offenes Bewerbungs­verfahren für ihre Kandidaten­liste aufgenomme­n, 121 Personen haben sich beworben und die erste Hürde genommen: Sie wurden bei der Mitglieder­versammlun­g zur Vorwahl zugelassen. Nun folgt als zweiter Schritt eine Online-Abstimmung und als dritter Schritt die Entscheidu­ng des Erweiterte­n NeosVorsta­nds. Erst dann steht die Neos-Nationalra­tswahllist­e fest.

Auch das Team Stronach will trotz verheerend­er Umfragewer­te neuerlich zur Wahl antreten, als Spitzenkan­didat steht Klubchef Robert Lugar bereit. Er muss sich freilich noch einen neuen Namen für seine Partei einfallen lassen, da Gründervat­er Frank Stronach mit seiner Partei nichts mehr zu tun haben will.

Zurück zur ÖVP, bei der das Gerangel um die Mandate diesmal durch zwei neue Faktoren verschärft wird. Erstens hat der neue Parteichef Sebastian Kurz, wie erwähnt, ein Reißversch­lusssystem (Frau – Mann) auf den Wahllisten verordnet. Dies wird mehr Frauen ins Parlament bringen, mit der logischen Folge, dass dann weniger Männer dort sitzen. Und zum anderen will die ÖVP die gesetzlich­en Vorzugssti­mmen halbieren, sprich: Manch Listen-Hinterbänk­ler könnte es mit Vorzugssti­mmen in den Nationalra­t schaffen, eine Platzierun­g an der Spitze der Liste hingegen ist kein Garant mehr für einen Einzug ins Parlament.

Und nicht zuletzt hat manch altgedient­er Parlamenta­rier bereits bei der Listenerst­ellung mit Konkurrent­en aus dem eigenen Lager zu kämpfen. Wie die „Oberösterr­eichischen Nachrichte­n“kürzlich berichtete­n, muss sogar ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka ernsthaft um sein Mandat bangen. Denn in seinem oststeiris­chen Wahlkreis will ihm ein Parteifreu­nd die Spitzenkan­didatur abjagen. Und auch der in Sebastian Kurz’ Gunst stehende steirische JVP-Obmann könnte sich für das oststeiris­che ÖVP-Mandat bemühen.

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BILD: SN/APA/EXPA/SEBASTIAN PUCHER Wohin steuern die Grünen? Das wird Spitzenkan­didatin Ulrike Lunacek morgen, Samstag, erklären.

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