Was ist nur los mit den Demokraten?
Die Nachwahlen in Georgia und South Carolina offenbaren es: Die Demokraten müssen mehr liefern, als Donald Trump zu kritisieren.
WASHINGTON. Tim Ryan kennt die Wähler Trumps nur allzu gut. In seinem Wahlbezirk im Nordosten Ohios leben viele Arbeiter, die den Demokraten den Rücken gekehrt haben. Einer Partei, die über Jahrzehnte die alten Industrieregionen des Rostgürtels Amerikas dominiert hat. „Unsere Marke hat einen schlechteren Ruf als Trump“, spricht Ryan nach dem neuerlichen Wahldesaster in Georgia und South Carolina eine bittere Wahrheit aus.
Der junge Abgeordnete aus der ehemaligen Stahlmetropole Youngstown schreckt auch nicht davor zurück, mit dem Finger auf die aus seiner Sicht Verantwortlichen zu zeigen: Minderheitsführerin Nancy Pelosi und die alte Garde der Demokraten, die sich in ihren liberalen Blasen eingerichtet haben.
„Ich weiß nicht, was wir ohne Pelosi tun würden“, sagt der republikanische Stratege Corry Bliss nicht ohne Ironie. Sein „Politisches Aktionskomitee“hat sieben Millionen Dollar in den sechsten Kongressbezirk von Georgia gepumpt, um den Sitz der Republikanerin Karen Handel zu verteidigen. Niemand schaffe es, die konservative Basis so zu mobilisieren wie die Demokratin Pelosi. Die weist eine Verantwortung für die vier Niederlagen bei den Nachwahlen in Kansas, Montana, South Carolina und Georgia zurück. Dies seien eigentlich tief republikanischrote Wahlkreise gewesen. „Wir haben sie ordentlich ins Schwitzen gebracht“, beschönigt sie die Ergebnisse.
Jüngstes Beispiel, die Schlappe des 30-jährigen Jon Ossof vor den Toren Atlantas, der trotz 25 Millionen Dollar in der Wahlkampfkasse ein schlechteres Ergebnis holte als Hillary Trump.
Das Problem des Kandidaten? Der smarte Filmemacher Ossof verkörpert so ziemlich alles, was im Weltbild der US-Konservativen an den Liberalen der Ost- und Westküsteneliten verkehrt ist. Mit Leichtigkeit porträtierten die Republikaner den Absolventen der Eliteuniversität Georgetown als Außenseiter ohne lokale Verankerung.
Erfahrene Strategen hätten das Desaster kommen sehen müssen. Statt die Erwartungen herunterzuschrauben, heizten sie unter tatkräftiger Mithilfe der Medien den Hype an. Wie schon zuvor in Montana, wo sie einen banjozupfenden Kandidaten in einem demografisch aussichtslosen Bezirk zum Hoffnungsträger stilisierten. Die Ergebnisse waren vorhersehbar.
Und eine Steilvorlage für Donald Trump, der sich bei einer Kundgebung in Iowa von 6000 frenetischen Fans feiern ließ. „Die Demokraten reden sich jetzt mit dem Wetter raus, könnt ihr das fassen?“, Clinton gegen Donald fragte er in die Menge. Aus der für 30 Minuten angesetzten Rede wurden 70 Minuten unstrukturiertes Brabbeln. In Cedar Rapids stört das niemanden. Wie auch die Ermittlungen in der Russland-Affäre, das Chaos im Weißen Haus und die Pleiten bei Mauer, Muslim-Bann und Obamacare hier keine Rolle spielen. Stattdessen bekommt Trump Standing Ovations, wenn er gegen die Eliten und Medien hetzt.
„Es reicht nicht aus, bloß gegen Trump zu sein“, analysiert der Rostgürtel-Abgeordnete Ryan das Dilemma der Demokraten. Deren Strategen wollen partout nicht einsehen, dass für die meisten Amerikaner außerhalb der Metropolen und den Ballungsräumen der Küsten Brot-und-Butter-Themen sehr viel wichtiger sind als die gesellschaftspolitischen Anliegen kleiner urbaner Eliten – mögen diese auch noch so berechtigt sein.
Was den Blick auf Randy Bryce lenkt, der in Wisconsin den republikanischen Speaker im Kongress, Paul Ryan, bei den Halbzeit-Wahlen im kommenden Jahr herausfordern will. „Er könnte nach SpringsteenSongs zusammengebaut worden sein“, schreibt ein Kommentator über den gestandenen Stahlwerker, Gewerkschafter und Veteranen, der sein Leben in dem Wahlbezirk verbracht hat. Das Gegenmodell zu Ossof gewissermaßen.
Einfach wird es für die Demokraten in keinem Fall, bei den sogenannten Midterms im kommenden Jahr die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückzugewinnen. Zumindest das dürfte nach den vier Schlappen in Folge klar sein.