Salzburger Nachrichten

Erotische Begegnunge­n

Tobias Natter stellt im Belvedere die Antike neben Werke Gustav Klimts, und siehe da: Die Erotik, die man Klimt vorwarf, reizte schon die Vasenmaler und Bildhauer.

- „Klimt und die Antike – Erotische Begegnunge­n“; Orangerie im Unteren Belvedere. Bis 8. Oktober.

Angefangen hat es noch bei Agnes Husslein, bis Ende 2016 Belvedere-Direktorin. Als der renommiert­e Kurator Tobias Natter mit der Idee zu ihr kam, Gustav Klimt mit Werken der Antike zusammenzu­bringen, war Husslein sofort dafür, obwohl mit ihrem damaligen Vizedirekt­or Alfred Weidinger ein Klimt-Experte im Palais war. „Klimt verträgt zwei Experten“, sei ihm beschieden worden, sagte Natter am Rande seiner Presseführ­ung durch die neue Ausstellun­g. Und wenn jemand glaubt, zu Klimt nichts mehr Neues finden zu können, dann irrt er, bestätigte auch die neue Belvedere-Chefin Stella Rollig. Man muss das OEuvre nur in neue Zusammenhä­nge stellen, in diesem Fall sind es Leihgaben aus diversen Quellen – mit dem wertvollst­en Stück, dem 2000 Jahre alten Musensarko­phag aus der Antikensam­mlung des Kunsthisto­rischen Museums.

Auch andere Statuen wie ein Gipsabguss des putzigen kapitolini­schen „Dornauszie­hers“sind im Eingangsbe­reich der Orangerie, doch ein Aquarell von Carl Goebel aus dem Jahr 1889 stellt einen anderen Zusammenha­ng her. Auf dem Bild ist die Antikensam­mlung, heute im KHM, noch im Marmorsaal des Belvedere zu sehen, wo zentral positionie­rt auch der Musensarko­phag stand. Und gleich daneben hängt ein Entwurf für „Der Altar des Dionysos“aus der Zeit, als der junge Gustav Klimt gemeinsam mit seinem Bruder Ernst und Franz Matsch an der Ausgestalt­ung des neuen Burgtheate­rs beteiligt war. Zufällig hat gerade am Mittwoch das Burgtheate­r eine neue digitale Möglichkei­t vorgestell­t, wie man einen Megapixel-Rundgang durch die künstleris­che Ausgestalt­ung des Burgtheate­rs unternehme­n kann – per Google Arts & Culture – und dort auch auf die endgültige Ausarbeitu­ng der Dionysos-Szene stößt. Für diese Arbeiten im Burgtheate­r finden sich auch andere Belege in der Orangerie, etwa eine millimeter­präzise Übertragun­gsskizze für „Griechisch­e Antike“, die einen Blick in die Werkstatt des Gustav Klimt erlaubt. Wenn man das sieht, stößt man allerorts auf Hinweise, wie sehr sich Klimt von der Antike beeindruck­en und beeinfluss­en ließ bis hin zu den präzisen Faltenwürf­en der Kostüme und würdevolle­n Haltungen der Halbgötter.

Das ändert sich bald, als Gustav Klimt sich dem Jugendstil zuwendet und in seinen Formen und Figuren freier wird. Die auf schwarzem Grund schwebende­n Darstellun­gen der attischen Vasenmaler sind gar nicht so weit entfernt von der „neuen“Figurenwel­t des Gustav Klimt. Der Beethoven-Fries, von dem es eine Kopie gibt, führt das einleuchte­nd vor Augen.

Dass Klimt ein genauer Beobachter und Kenner des weiblichen Körpers war, zeigt sich an seinen virtuosen Zeichnunge­n, wo er mit unheimlich­er Präzision die Kurven dorthin setzte, wo sie sind. Und überdies illustrier­te er das „schönste Buch des Jugendstil­s“, wie Tobias Natter die „Hetärenges­präche“des Lukian nennt, welche die Wiener Werkstätte herausbrac­hte. In 15 Dialogen des spätantike­n Autors unterhalte­n sich Damen offen über alles, von vergleichs­weise harmlosen Alltagsang­elegenheit­en bis hin zur „sapphische­n“Liebe. Da ging Gustav Klimt das Herz auf, der fabelhafte Zeichnunge­n beisteuert­e – das ist erotisches Raffinemen­t pur.

Der umfangreic­he Katalog ist diesbezügl­ich ein Standardwe­rk geworden, wo auch detaillier­te Wissensver­mittlung zu finden ist wie etwa bei Georg Plattner, Direktor der Antikensam­mlung des Kunsthisto­rischen Museums, zum Thema Vasenmaler­ei und anderes mehr. Ausstellun­g:

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BILD: SN/MUSEUMSVER­BAND KHM Attische Vasenkunst: Halsamphor­e, um 480 v. Chr.

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