Erotische Begegnungen
Tobias Natter stellt im Belvedere die Antike neben Werke Gustav Klimts, und siehe da: Die Erotik, die man Klimt vorwarf, reizte schon die Vasenmaler und Bildhauer.
Angefangen hat es noch bei Agnes Husslein, bis Ende 2016 Belvedere-Direktorin. Als der renommierte Kurator Tobias Natter mit der Idee zu ihr kam, Gustav Klimt mit Werken der Antike zusammenzubringen, war Husslein sofort dafür, obwohl mit ihrem damaligen Vizedirektor Alfred Weidinger ein Klimt-Experte im Palais war. „Klimt verträgt zwei Experten“, sei ihm beschieden worden, sagte Natter am Rande seiner Presseführung durch die neue Ausstellung. Und wenn jemand glaubt, zu Klimt nichts mehr Neues finden zu können, dann irrt er, bestätigte auch die neue Belvedere-Chefin Stella Rollig. Man muss das OEuvre nur in neue Zusammenhänge stellen, in diesem Fall sind es Leihgaben aus diversen Quellen – mit dem wertvollsten Stück, dem 2000 Jahre alten Musensarkophag aus der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums.
Auch andere Statuen wie ein Gipsabguss des putzigen kapitolinischen „Dornausziehers“sind im Eingangsbereich der Orangerie, doch ein Aquarell von Carl Goebel aus dem Jahr 1889 stellt einen anderen Zusammenhang her. Auf dem Bild ist die Antikensammlung, heute im KHM, noch im Marmorsaal des Belvedere zu sehen, wo zentral positioniert auch der Musensarkophag stand. Und gleich daneben hängt ein Entwurf für „Der Altar des Dionysos“aus der Zeit, als der junge Gustav Klimt gemeinsam mit seinem Bruder Ernst und Franz Matsch an der Ausgestaltung des neuen Burgtheaters beteiligt war. Zufällig hat gerade am Mittwoch das Burgtheater eine neue digitale Möglichkeit vorgestellt, wie man einen Megapixel-Rundgang durch die künstlerische Ausgestaltung des Burgtheaters unternehmen kann – per Google Arts & Culture – und dort auch auf die endgültige Ausarbeitung der Dionysos-Szene stößt. Für diese Arbeiten im Burgtheater finden sich auch andere Belege in der Orangerie, etwa eine millimeterpräzise Übertragungsskizze für „Griechische Antike“, die einen Blick in die Werkstatt des Gustav Klimt erlaubt. Wenn man das sieht, stößt man allerorts auf Hinweise, wie sehr sich Klimt von der Antike beeindrucken und beeinflussen ließ bis hin zu den präzisen Faltenwürfen der Kostüme und würdevollen Haltungen der Halbgötter.
Das ändert sich bald, als Gustav Klimt sich dem Jugendstil zuwendet und in seinen Formen und Figuren freier wird. Die auf schwarzem Grund schwebenden Darstellungen der attischen Vasenmaler sind gar nicht so weit entfernt von der „neuen“Figurenwelt des Gustav Klimt. Der Beethoven-Fries, von dem es eine Kopie gibt, führt das einleuchtend vor Augen.
Dass Klimt ein genauer Beobachter und Kenner des weiblichen Körpers war, zeigt sich an seinen virtuosen Zeichnungen, wo er mit unheimlicher Präzision die Kurven dorthin setzte, wo sie sind. Und überdies illustrierte er das „schönste Buch des Jugendstils“, wie Tobias Natter die „Hetärengespräche“des Lukian nennt, welche die Wiener Werkstätte herausbrachte. In 15 Dialogen des spätantiken Autors unterhalten sich Damen offen über alles, von vergleichsweise harmlosen Alltagsangelegenheiten bis hin zur „sapphischen“Liebe. Da ging Gustav Klimt das Herz auf, der fabelhafte Zeichnungen beisteuerte – das ist erotisches Raffinement pur.
Der umfangreiche Katalog ist diesbezüglich ein Standardwerk geworden, wo auch detaillierte Wissensvermittlung zu finden ist wie etwa bei Georg Plattner, Direktor der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums, zum Thema Vasenmalerei und anderes mehr. Ausstellung: