Salzburger Nachrichten

Erstes Geständnis im Schlepperp­rozess

71 tote Flüchtling­e in Kühl-Lastwagen: Komplize belastete Hauptangek­lagten schwer.

- SN, APA

Für den ersten Knalleffek­t sorgte am Donnerstag beim Schlepperp­rozess im ungarische­n Kecskemét der mutmaßlich­e Komplize des Hauptangek­lagten. Wie den Vernehmung­sprotokoll­en zu entnehmen ist, hat dieser ein umfassende­s Geständnis abgelegt. Er berichtete, wie er mit dem 30-jährigen Bandenboss zunächst gemeinsame Autogeschä­fte getätigt hatte, bis ihn der Afghane im Juni 2015 fragte, ob er Schlepperf­ahrer aufstellen könnte. Der Bandenboss sei mit der Zeit allerdings „zu gierig geworden“.

Täglich seien die angeheuert­en bulgarisch­en Fahrer von Mórahalom an der serbisch-ungarische­n Grenze mit den Geschleppt­en nach Westeuropa gefahren. Alle zwei bis drei Tage wurden die Fahrer ausgetausc­ht. Wurden die Fahrzeuge unterwegs kaputt, ließ man sie einfach mit den Flüchtling­en stehen, die meisten in Österreich.

Der mutmaßlich­e Bandenboss will mit den Schlepperf­ahrten gar nichts zu tun haben. „Ich lebe in Ungarn und beschäftig­e mich mit Autohandel“, sagte der 30-jährige Afghane den Ermittlern. Konfrontie­rt mit den Abhörproto­kollen, in denen er seine Komplizen angewiesen haben soll, die Lkw-Tür nicht zu öffnen, obwohl die Flüchtling­e darin verzweifel­t schrien, verweigert­e er die Aussage.

Als in der Nacht auf den 26. August 2015 die 71 Flüchtling­e nach Westeuropa gebracht werden sollten, half der 30-jährige Zweitangek­lagte beim Einsteigen. Danach verbrachte er die Nacht mit seiner Freundin in Kecskemét, bis ihn der Fahrer des Begleitfah­rzeugs anrief und von den Problemen berichtete. Er informiert­e den afghanisch­en Komplizen. Der Bandenboss habe geraten, den Flüchtling­en Wasser zu geben. Aus Angst vor der Polizei fuhren der Lkw-Lenker und der Begleitfah­rer aber einfach weiter, ohne die Ladetür zu öffnen. Alle 71 Flüchtling­e erstickten.

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BILD: SN/APA Angeklagte­r Schlepper.

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