Über Sex reden ist keine Sünde
Steirisches Projekt konzentriert sich auf sexuelle Bildung von Jugendlichen mit Fluchterfahrung. Auch Respekt wird thematisiert: Warum man einer Frau auf der Straße nicht nachpfeifen soll.
GRAZ. Blicke können höchst unterschiedlich gedeutet werden. Zweimaliger Blickkontakt mit einer Frau in einer Straßenbahn etwa ist für österreichische Männer normal und bedeutungslos, Flüchtlinge aus muslimischen Ländern können da schon eine Einladung für ein näheres Kennenlernen interpretieren. „In Rollenspielen versuchen wir, diese durch kulturelle und religiöse Erziehung entstandenen Unterschiede aufzuarbeiten“, sagt der Mediator Thomas Kapeller.
Der Grazer arbeitet im „Abenteuer Liebe“-Team der Diözese GrazSeckau. Unter dem Motto „Let’s talk about sex“leitet er steiermarkweit sexualpädagogische Workshops mit männlichen Jugendlichen, die eine Fluchterfahrung haben. „Das Projekt zielt insbesondere auf die sexuelle Bildung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten ab“, sagt Kapeller. In den mehrstündigen Veranstaltungen geht es um Sexualbiologie und Geschlechterrollen, um eine Sensibilisierung und Enttabuisierung der Themen (Homo-)Sexualität, Masturbation und Pornografie.
Kapeller, der schon Hunderte Workshops geleitet hat, bezeichnet das Thema Selbstbefriedigung als eines der Hauptprobleme: „Die jungen Muslime haben gelernt, dass dies Sünde ist und sie davon blind und körperlich verunstaltet werden können.“Für andere ist es schon eine Sünde, überhaupt über Sex zu sprechen. „Wir versuchen das unter anderem über Zitate des Propheten Mohammed zu entkräften“, betont der Mediator. Viele Jugendliche seien nach den Workshops sehr dankbar, dass sie sich über das „drängende Thema“einmal offen austauschen konnten.
Auch die Themen Gewalt und Respekt spielen eine Rolle. Anhand von praktischen Beispielen – etwa dem Nachpfeifen auf der Straße – wird erklärt, was Frauen in Österreich nicht wollen. Bei den Workshop-Teilnehmern hat Kapeller große regionale Unterschiede festgestellt: „Junge Männer aus Syrien verfügen etwa im Gegensatz zu afghanischen Jugendlichen über ein hohes sexualmedizinisches Wissen.“
„Men Talk“nennt sich ein weiteres Projekt des Vereins für Männer- und Geschlechterthemen in der Steiermark. Ziel ist es, mit Asylbewerbern ab 18 Jahren in Wien, Niederösterreich, der Steiermark und Salzburg in einen „Dialog auf Augenhöhe“zu treten. Auch hier spielt Sexualität eine Rolle. „Men Talk“solle das soziale Ankommen der Flüchtlinge in der österreichischen Gesellschaft unterstützen.