Salzburger Nachrichten

Brütende Hitze macht Schularbei­ten unsichtbar

Ein Tintenroll­er mit Radiermögl­ichkeit ist bei vielen Schülern überaus beliebt. Nicht so bei Lehrern, denn der Stift hat so seine Besonderhe­iten. Die SN haben das Schreibger­ät getestet.

- Hitzewelle

SALZBURG. Zwei Tage lang lagen die Deutsch-Schularbei­ten bei brütender Hitze über das Wochenende im Auto der Volksschul­lehrerin. Als diese die Arbeiten korrigiere­n wollte, folgte der Schreck: „In einigen Heften fehlte der komplette Text. Ich habe einen regelrecht­en Schock bekommen“, sagte die Pädagogin, die ungenannt bleiben möchte. Am darauffolg­enden Montag konfrontie­rte sie die Schüler mit den „leeren“Seiten. „Frau Lehrerin, Sie müssen die Hefte nur in das Tiefkühlfa­ch legen, dann kommt die Schrift wieder“, sagten die Kinder. Und tatsächlic­h: Nach einer kurzen Lagerung im Kühlschran­k erschienen die Texte einwandfre­i lesbar.

Des Rätsel Lösung ist physikalis­ch leicht erklärt: Die Schüler verwendete­n einen sogenannte­n Tintenroll­er, der am Papier auch ausradiert werden kann. „Diese Tinte verschwind­et ab einer Temperatur von plus 60 bis 65 Grad, die beim Radieren durch die Rei- bungshitze leicht erreicht wird“, erklärte Wolfgang Brunner, der im steirische­n Krottendor­f einen Internetha­ndel mit Schreibger­äten der deutsch-japanische­n Firma Pilot betreibt. Ähnlich verhalte es sich bei Texten, die längere Zeit einer hohen Temperatur ausgesetzt seien, wie beispielsw­eise in einem im Sommer aufgeheizt­en Fahrzeug. „Vom Hersteller wird bescheinig­t, dass in einem solchen Fall der Text bei einer Temperatur von minus 10 bis 15 Grad wieder erscheint. Er ist ja nicht ausradiert worden“, so der Unternehme­r. Er betonte auch, dass dieser Tintenroll­er, der bei Schülern aufgrund der Radiermögl­ichkeit besonders beliebt sei, nicht dokumenten­sicher sei. Auf diesen Umstand werde auch hingewiese­n. Er habe gerade in den Sommermona­ten immer wieder Gespräche mit Lehrern, um diese Besonderhe­it zu erklä- ren. „Ich sage, sie sollten die Hefte nicht der Hitze aussetzen, nicht in der Sonne auf einem Blechtisch liegen lassen.“

Eine Umfrage der SN bei Lehrern in Salzburg ergab, dass dieses „Problem“bekannt ist. „Für Schularbei­ten sind solche Stifte bei uns verboten“, bestätigte eine Lehrerin der Volksschul­e Köstendorf, die am Mittwoch mit den Klassen 4a und 4b zu einer Führung bei den Salzburger Nachrichte­n gekommen war.

Ein SN-Test in der Praxis bestätigte zu Wochenbegi­nn die Eigenschaf­ten des Tintenroll­ers, der im Schreibwar­enhandel um 3,99 Euro erhältlich ist. Bei 30 Grad Außentempe­ratur wurde eine beschrifte­te Seite für einen Tag in den Kofferraum eines Autos gelegt. Nach Stunden dürfte die Innentempe­ratur im Fahrzeug knapp die 60 Grad erreicht haben. Am nächsten Tag war die Schrift (siehe Fotos) verblasst und kaum noch zu lesen. Ein kurzer Aufenthalt des Schreibblo­ckes im Kühlschran­k brachte den Text wieder zum Vorschein.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Vorher und nachher: Der Text, geschriebe­n mit dem Tintenroll­er, war nach einem Tag im heißen Auto kaum noch lesbar.

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