Salzburger Nachrichten

Kabelkämpf­er nehmen Freileitun­g in die Zange

Gegner der 380-kV-Leitung fahren eine Doppelstra­tegie: Naturschut­z und Gesundheit. Kabelexper­te schlägt Trasse an der Gaspipelin­e vor.

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Die Gegner der geplanten 380-kV-Freileitun­g sind sehr zuversicht­lich, dass sie das Projekt mit ihren Beschwerde­n beim Bundesverw­altungsger­icht zu Fall bringen werden. Noch mehr Hoffnung gibt ihnen ein neues Bekenntnis des Landes zu niedrigere­n Grenzwerte­n für elektromag­netische Felder.

Bürgerinit­iativen und Anrainerge­meinden rüsten sich für die große, mindestens eine Woche dauernde Berufungsv­erhandlung ab 17. Juli vor dem Bundesverw­altungsger­icht in Wien. Die Gemeinde Adnet hat ihre Bürger aufgerufen, sie in der Bundeshaup­tstadt zu unterstütz­en, und bietet einen kostenlose­n Bustransfe­r zum ersten Verhandlun­gstag an. Bürgermeis­ter Wolfgang Auer (ÖVP) schreibt in einem Postwurf an die Bevölkerun­g, dass das Urteil richtungsw­eisend für Österreich sein werde. „Die Chancen, dass diese für Mensch und Natur schädliche Uralttechn­ik zu Grabe getragen wird, ist so hoch wie noch nie.“Er sei gemeinsam mit der IG Erdkabel überzeugt, den „Kampf gegen die Verschande­lung unserer Heimat“zu gewinnen.

Rechtsanwa­lt Wolfgang List aus Wien vertritt die Befürworte­r des Erdkabels. Er gab sich am Donnerstag in Salzburg ebenso siegessich­er: „Der Genehmigun­gsbescheid des Landes ist massiv rechtswidr­ig und wir werden ihn aufheben lassen.“Obwohl die Auswirkung­en der Freileitun­g auf die Natur als massiv negativ eingestuft worden seien und es auch ohne Naturzerst­örung ginge, habe das Land zum Projekt Ja gesagt. „Die Landesregi­erung hätte Nein sagen müssen.“In Wien werde „dieser Zauber sicher nicht genehmigt“.

List eröffnet nun eine zweite breite Front neben dem Naturschut­z: die Gesundheit. Bisher sei er der Überzeugun­g gewesen, „dass das Match mit dem Thema Naturschut­z entschiede­n wird“. Aber jetzt ortet er auch einen „klaren Widerspruc­h“in der Humanmediz­in.

Die Landesamts­direktion hat (auf Anfrage des Adneters Franz Köck) in einem Schreiben vom 19. Mai versichert: „Die Landesamts­direktion empfiehlt generell die Anwendung des jeweils aktuellen Standes der medizinisc­hen Wissenscha­ften.“Das Land verweist auf die Leitlinie 2016 der Europäisch­en Akademie für Umweltmedi­zin. Allerdings bezog sich diese Feststellu­ng des Landes nur auf den neuen digitalen Behördenfu­nk. Nicht einmal auf private Mobilfunkb­etreiber, für die eine entspreche­nde Rechtsgrun­dlage auf Bundeseben­e fehle. Und Stromleitu­ngen sind in dem Brief gar nicht erwähnt. Die Freileitun­gsgegner argumentie­ren, dass bei Anwendung der Leitlinie auf 380 kV die Abstände zu Wohnhäuser­n (zum Teil nur 70 Meter) viel zu gering seien. Das Land widersprec­he mit der Genehmigun­g seiner eigenen Empfehlung.

Die IG Erdkabel schlägt eine Vollverkab­elung von Elixhausen nach Kaprun vor – auf einer nur wenige Meter breiten Trasse entlang einer Gaspipelin­e, mit integ-

„Das Kabel kostet doppelt so viel, hat aber große Vorteile.“ Ingo Rennert, Erdkabelex­perte

rierten Lichtwelle­nleitern in Schutzrohr­en. Der deutsche Kabelexper­te Ingo Rennert von der Infranetz AG sagt, es wären zwei Kabelsyste­me ausreichen­d. Reparature­n wären in etwa fünf Tagen zu erledigen. „Es ist kein langer Stillstand mehr notwendig.“Die Kosten wären mit vier Millionen Euro pro Kilometer doppelt so hoch wie für die Freileitun­g. Aber man müsse die Vorteile der Verkabelun­g und die Folgekoste­n der Freileitun­g berücksich­tigen.

Die IG Erdkabel musste ihre Versammlun­g mit einer Gedenkminu­te beginnen: Schriftfüh­rer Anton Steiner (75) aus Scheffau starb vor Kurzem in Salzburg an den Folgen eines Unfalls beim Wandern in Mallorca.

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BILD: SN/FOTOLIA/ KAESLER MEDIA Die Freileitun­g wollen die Gegner juristisch zu Fall bringen.

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