Johannistag lädt zum Kräutersammeln ein
Wildkräuter haben spezielle Wirkungen, aber auch überraschende Fähigkeiten: So manch Pflanze schmeckt je nach Jahreszeit unterschiedlich.
ST. GILGEN. Die gelben Blüten entfalten bei strahlendem Sonnenschein ihre Pracht. Vor dem Kräutergarten des Europaklosters Gut Aich in St. Gilgen am Wolfgangsee blüht das Johanniskraut. Elke Wölfl und Christian Pötzlberger machten sich am Donnerstag an die erste Ernte. „Es werden noch viele folgen. Wir ernten den ganzen Sommer über“, sagte Wölfl. Sie ist für die Verarbeitung der Pflanzen zuständig. Auf Gut Aich werden in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen SeeWald nach traditionellen Verfahren etwa Öle und Tinkturen hergestellt. Bekannt ist das Johanniskraut für seine antidepressive Wirkung, es hilft aber auch bei Verbrennungen sowie Muskelschmerzen.
„Die allerbeste Zeit, Wildkräuter zu sammeln, ist am Johannistag selbst“, erklärte die ausgebildete Kräuterexpertin Verena Reisinger. Seit dem fünften Jahrhundert wird am 24. Juni das Geburtsfest Johannes des Täufers gefeiert. „Man war überzeugt, dass in der Phase rund um die Sonnenwende besonders viel Energie in der Luft liegt. Die Sonne besitzt ihren höchsten Stand und verleiht den Wildkräutern starke Kraft.“In manchen Gegenden werden spezielle Kräuter in die Flammen des Johannisfeuers geworfen, um die Abwehrkraft des Feuers zu erhöhen.
Auf einer Wanderung Richtung Wolfgangsee erzählte Reisinger von der Wirkung vieler Wildkräuter, medizinischer Verwendung wie auch Zubereitungsmöglichkeiten zum Essen. Sie bieten Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Quendel etwa lindert Husten, riecht wie Thymian und eignet sich für mediterrane Gerichte oder Sirup. Braunellen helfen in Verbindung mit Melisse gegen Fieberblasen und werden in der chinesischen Medizin sogar bei Krebstherapien verwendet. Die Brennnessel ist ein großer Eisen-Lieferant. Der Holunder hat neben Blüten, aus denen Sirup hergestellt wird, auch sehr vitaminreiche Beeren. „Sie zählen zu den gesündesten Wildfrüchten und stärken das Immunsystem“, sagte Reisinger. Sie müssten jedoch stets gekocht werden. So könne etwa eine Suppe oder Hollerkoch entstehen.
Groß ist auch das Wirkungsspektrum des Löwenzahns, der das ganze Jahr über zur Verfügung steht. Verwenden kann man die gesamte Pflanze – Wurzeln und Blüten ebenso wie die Blätter. Im Frühling schmeckt die Wurzel bitter, im Herbst hingegen süß. „Löwenzahn regt den Gallenfluss an ebenso wie die Leber.“Wunder sollte man sich von Heilkräutern keine erwarten, betonte Reisinger. „Sie eignen sich aber sehr gut zur Fürsorge.“
Wichtig für das Sammeln: Nur Kräuter auf unbelasteten Wiesen pflücken. Als Sammelbehältnis eignen sich Baumwolltaschen.
„Hollerbeeren zählen zu den gesündesten Wildfrüchten.“Verena Reisinger, Kräuterexpertin