Das Alte gibt Ideen für neues Glas
Der junge Riedel-Chef schaut in der Familie weit zurück und lässt das Publikum teilhaben.
Maximilian J. Riedel (39) führt in der elften Generation das Familienunternehmen Riedel mit einer 261 Jahre alten Geschichte. „Ich bin relativ jung, ich kann die 261 Jahre gar nicht auf meinem Rücken tragen“, sagt er. Deshalb hat er nun am Standort in Kufstein eine Dauerausstellung samt Glaskabinett geschaffen, die Zeugnis über das Wirken der Riedels in der Vergangenheit ablegt. Bis zu 30.000 Besucher im Jahr und Kunden aus der ganzen Welt sollen hier erleben, welch große Rolle die Geschichte für einen der weltgrößten Kristallglashersteller, der jedes Jahr 55 Millionen Gläser produziert, spielt. Mit seiner Glashütte für mundgeblasene Gläser und Dekanter im industriellen Ausmaß (200.000 Stück pro Jahr) ist Kufstein in Europa einzigartig. Wie das in einem Hochpreisland wie Österreich in die Zukunft zu retten ist, sagt Riedel, der Elfte, im SN-Interview. Sein Vater Georg J. Riedel erklärt, warum die Übergabe an den Junior geklappt hat. SN: Sie sagen, diese Ausstellung, die nun zum Anlass 60 Jahre Glashütte in Kufstein eröffnet wurde und deren Kurator Sie selbst sind, ist Verbeugung vor den Leistungen der Familie, aber auch Ideenlabor. Wie holen Sie sich aus der Vergangenheit Ideen für Neues? Maximilian J. Riedel: Die vergangenen Designs beeinflussen uns in jeder Hinsicht auch jetzt. Es gibt in anderen Industrien oder in der Mode ja auch immer einen Retro-Look, man schöpft Kraft aus der Vergangenheit, um Neues entstehen zu lassen. Wir definieren das Glas als Lautsprecher des Weines, die Gläser werden über sensorische Workshops neu definiert. Ich habe vor vielen Jahren die „next gen“ins Leben gerufen, wo wir jungen Designern die Möglichkeit geben, mit uns zu arbeiten. Da ist mir aufgefallen, dass sich auch die Jungen an der Vergangenheit orientieren. Hier in Kufstein sind alle Werke meines Großvaters ausgestellt. Wer sich auf dem Weltmarkt umsieht, erkennt, dass sehr viele heutige Designs ihren Ursprung im Design meines Großvaters haben. Er hat bereits 1957 Gläser so definiert und gezeichnet, wie sie heutzutage verkauft werden. Er war seiner Zeit voraus und musste sich dennoch dem Zwang seiner Zeit beugen und Gläser machen, die sich damals verkauft haben. SN: Noch sind Gläser analog. Wird auch das Glas irgendwann ein digitales Kommunikationsmittel, in der Art, dass ich Wein einschenke und dann am Glas Informationen über den Wein bekomme? Millionen Menschen haben noch gar nichts von den bestehenden, modernen Weingläsern gehört oder wurden noch nicht davon überzeugt. Unsere Aufgabe ist also noch nicht erfüllt. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, das Glas nicht nur als Lautsprecher des Weines zu sehen, sondern als Kommunikator verbunden mit Technik, könnten die Menschen überfordert sein. Aber wir arbeiten tatsächlich an derartigen Gedanken. Noch ist die Glasindustrie nicht so weit. Wir tüfteln etwa an verschiedenen Apps, mit denen man Gläser identifizieren kann. Dann könnten die Kunden besser erkennen, welches Glas für welche Traube bestimmt ist. SN: Hier in Kufstein betreiben Sie eine Produktion für mundgeblasene Gläser und Dekanter. Das ist teuer. Wie wollen Sie das in die Zukunft retten? Die Produktion in Kufstein bezeichnen wir als Formel 1, das gehört für uns zum Marketing. Es ist uns aber mit der neuen Kollektion „fatto a mano“, handgemacht, nicht mundgeblasen, ein Erfolg gelungen. Wir haben heuer bereits 60 Prozent mehr Gläser über den Standort Kufstein vertrieben als im Jahr zuvor. Die Kollektion wird hier gemacht, das ist ein Rezept, wie wir den Produktionsstandort sichern können. Das Durchschnittsalter der Glasbläser ist 30 Jahre, die nächsten Jahrzehnte sind also gesichert. Außer es ist so heiß wie heuer, dann haben wir 50 Grad in der Produktion. Deshalb suchen wir gerade einen neuen Weg, die Glashütte zu kühlen. SN: Riedel ist dafür bekannt, für jede Rebsorte das passende Glas zu haben. Jetzt gibt es aber einen Trend zu weniger oder keinem Alkohol. Bereits Ihr Vater hat viel im Non-Alkohol-Sektor gemacht. Welche Pläne haben Sie? Die DNA einer Traube hängt nicht vom Alkoholgehalt eines Getränks ab. Es wird aktuell mehr Wein in der Welt getrunken als je zuvor. Aber es gibt Märkte, in denen die Menschen keinen Alkohol trinken. Darauf spezialisieren wir uns gerade, etwa auf den Iran, den Irak oder Saudi-Arabien. In diesen Ländern hat Glas einen hohen Stellenwert. Wir müssen aber dort, um erfolgreich zu sein, das Logo verändern, weil wir uns als Wineglass Company bezeichnen. Wir suchen aktuell potenzielle Partner, die mit uns Produkte für diese Märkte schaffen werden, die wahrscheinlich dann auch in anderen Märkten aufgenommen werden. SN: 40 Prozent des Umsatzes macht Riedel in den USA. Spüren Sie die Abschottungsansagen Donald Trumps? Wir leiden in den USA unter der Unsicherheit der Konsumenten, die täglich über Terror lesen und darüber, wie katastrophal Trump das Land regiert. Wir liegen in den USA gegenüber dem Vorjahr beim Absatz zwar gleichauf, hatten aber ein Plus von fünf Prozent erwartet. SN: Herr Georg Riedel, vor vier Jahren haben Sie die Führung beim Familienunternehmen an Ihren Sohn übergeben. Sie reisen aber noch als Markenbotschafter für Riedel durch die Welt. Ist die Übergabe geglückt. Wie schwierig ist es, loszulassen? Georg J. Riedel: Wir sind im Übergeben ja gut geübt. Das ist jetzt die elfte Generation. Ich habe mich und die nächste Generation gut darauf vorbereitet und bin nicht eifersüchtig auf ihre Erfolge. Meine oberste Pflicht ist, das Unternehmen zu übergeben. Ich gehe hier quasi nur vorbei, die Zeit ist endlich. Die nächste Generation braucht Raum und Licht, da bin ich entspannt. Jede Generation muss sich den Erfolg selbst erarbeiten.
Fakten: Die Riedel-Gruppe, wozu auch die Nachtmann AG mit den Marken Nachtmann und Spiegelau gehört, macht 240 Mill. Euro Umsatz im Jahr und beschäftigt 1200 Mitarbeiter. Maschinengefertigte Gläser werden in Frauenau, Amberg und Weiden (D) hergestellt. In den vergangenen zwölf Jahren wurden 80 Mill. Euro investiert, weitere zwölf Millionen werden es im nächsten Jahr sein. Laut Maximilian Riedel ist es nötig, technologisch am letzten Stand zu sein, um mit Billiglohnländern konkurrieren zu können.