Koalitionsrat verschreibt Pfefferkörner
Nicht nur die Polizei hat in Österreich das Wegweiserecht, auch die SPÖ hat es. Deshalb konnte diese Partei zu Beginn der Vorwoche einen wegweisenden Beschluss fassen, der die Möglichkeit künftiger Koalitionen zwischen ihr und der FPÖ regelt. Die Bedingungen hierfür können hier leider nicht referiert werden, da sie von geradezu Orakel-vonDelphi-hafter Komplexität sind. Gewürdigt werden soll aber ein bisher viel zu wenig beachteter Teilaspekt des SPÖBeschlusses: die bevorstehende Installierung eines Koalitionsrates.
Der Koalitionsrat soll laut dem Orakel von Löweldelphi in Hinkunft die Streitbeilegung innerhalb der Koalition besorgen. Man kann nur wenig in diesem Lande mehr bedauern, als dass diese Idee nicht schon früher (sagen wir 1945) geboren wurde. Es wäre uns wahrlich viel erspart geblieben. Auch aus einem zweiten Grund ist es erstaunlich, dass der Koalitionsrat erst jetzt erfunden wurde. Denn ob Berg oder Ökonomie, ob Veterinär oder Medizinal, ob Kanzlei oder Amts, Kommerzial oder Regierungs, Oberstudien oder Geheimkäse – für alles und jedes gibt es bei uns einen Rat. Selbst für den Hof, der seit 99 Jahren nicht mehr existiert, steht der Hofrat bereit. Und das sogar in zweierlei Gestalt, nämlich als gewöhnlicher und als wirkl. Hofrat. Insofern muss man schon sagen: Also wirkl.! Warum hatte ausgerechnet die Koalition bisher keinen?
Ein Kalauerrat würde an dieser Stelle die Vermutung einflechten, dass sie vielleicht deswegen seit geraumer Zeit so ratlos wirkt. Egal. Freuen wir uns, dass es jetzt bald einen hohen Koalitionsrat gibt. Wobei die Frage bleibt, ob es sich dabei um eine Einzelperson oder ein Kollegialorgan handelt, und was er denn so tun wird, der Koalitionsrat. Man könnte auf Herumsitzen tippen und dafür gute Gründe anführen. Denn „Hoher Rat“heißt im Jiddischen „ol joez“, und da Ratsmitglieder zu einer steifen Sitzhaltung neigen, entstand daraus mit der Zeit die Redensart, jemand sei steif wie ein Ölgötze.
Wobei dieser Vorwurf natürlich ungerecht ist. Denn was soll ein Hofrat, ob wirkl. oder nicht, denn auch anderes tun als herumsitzen, wenn weit und breit kein Hof mehr da ist, dem er mit seinem Rat dienlich sein könnte? Auch der Regierungsrat berät selten die Regierung, da sie a) dafür ja ihre externen Berater hat und b) insgesamt eher beratungsresistent wirkt. Diese zwangsweise Untätigkeit mündete im Laufe der Zeit in eine gewisse Geringschätzung des Rates an sich, die auch aus folgender kleinen Geschichte spricht.
Preußenkönig Friedrich II. bekam einmal das Gesuch eines Tierarztes um Zuerkennung des Titels „Hofrat“auf den Tisch. Friedrich, trotz seiner Körpergröße von 1,62 Metern „der Große“genannt, schrieb in seiner großartig-trockenen Art an den Rand des Gesuchs: „Die Pferde gehören so wenig zu meinem Hof als der Pferdearzt unter die Räte. Indessen hat der Supplikant seine Verdienste und so soll er künftig den Titel Viehrat führen.“
Keinesfalls von einem Vieh- oder, wie wir heute eleganter sagen, Veterinärrat stammt ein Ratschlag, der unter Rosstäuschern zeitweise recht gebräuchlich gewesen sein soll. Er betraf die Verwendung von Pfefferkörnern, die dem Pferd, kurz bevor es dem Kaufinteressenten vorgeführt wurde, an eine Stelle geschoben werden sollten, die hier nicht näher beleuchtet werden kann. Diese kleine Manipulation mache, so hieß es in dem Ratgeber, „aus alten junge, aus dummen gescheite, aus plumpen leichte und aus trägen feurige Pferde“.
Also ganz ehrlich: Wer für unsere Regierung einen ähnlich zweckdienlichen Ratschlag parat hätte, würde sich mit Fug und Recht die Ernennung zum Koalitionsrat verdienen.
Aber wirkl.