Salzburger Nachrichten

Macht die Beine nicht breit!

Was hinter dem breitbeini­gen Gehabe in Bus, Bahn oder Büro steckt: Demonstrat­ion von Macht oder nur Muskelschw­äche?

- SALZBURG.COM/FRAUENSACH­E FRAUEN SACHE Karin Zauner

Just an dem Tag, an dem ich mich über Damen im Obus wunderte, die mit ihren Einkaufsta­schen trotz überfüllte­n Busses jeweils mehrere Sitze für sich und ihr Gemüse beanspruch­ten, las ich Folgendes: „Madrid verbannt das breitbeini­ge Sitzen aus den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln.“

Man kennt das ja schon aus New York. Dort hat die Verkehrsge­sellschaft MTA bereits vor geraumer Zeit in ihren Zügen Schilder angebracht, auf denen die „Manspreade­r“, so werden breitbeini­g sitzende Männer bezeichnet, aufgeforde­rt werden, sich zu benehmen: „Dude, stop the spread, please – it’s a space issue“, steht darauf. Die New Yorker hatten mit dem Zusatzhinw­eis, es gehe um Platz und Raum, den Punkt getroffen. Denn breitbeini­ges Stehen und Sitzen von Menschen erzeugt nicht nur unangenehm­e Gefühle bei Sitz- und Stehnachba­rn, sondern nimmt ihnen auch Raum weg und zwingt sie, sich selbst kleiner oder schmäler zu machen oder zu fühlen.

Das Thema ist mehr als eine Freizeitbe­schäftigun­g für Teilzeitfe­ministinne­n. Denn das rücksichts­lose Verhalten durch raumgreife­ndes Inanspruch­nehmen öffentlich­en Raums trifft uns alle, Frauen wie Männer. Auch wenn es weitaus mehr Männer sind, die ihre Beine in Bus und Bahn nicht zusammenkr­iegen.

Die Erklärung muss nicht immer ungehobelt­es Verhalten sein. Vielmehr kultiviere­n Mädchen und Buben bereits im Kindesalte­r ein unterschie­dliches Körperempf­inden im Raum. Buben werden angeregt, sich auszutoben, Mädchenspi­ele finden hingegen noch immer oft in einem begrenzter­en Raum statt. Werden aus den Buben Männer, nehmen sie unterbewus­st an, dass ihnen dieser Raum zusteht. Die Erklärung klingt jedenfalls logisch, ist aber keine Entschuldi­gung. Denn jeder von uns hat ja seit der Kindheit wohl etwas mehr als unterbewus­stes Verhalten mitbekomme­n. Dazu gehört zum Beispiel, Rücksicht zu nehmen, sich zur Situation passend angemessen zu verhalten. Es ist nicht zu viel verlangt, sich ab und zu seine eigene Haltung vor Augen zu führen und sich zu fragen: Welche Wirkung erziele ich damit?

Beine breit – das ist auch eine beliebte Geste in den oberen Etagen der Wirtschaft. Ein Schelm, der jetzt an ein beliebtes Klischee denkt. Nein, es geht um Chefs, die während Verhandlun­gen, Sitzungen oder Debatten demonstrat­iv breitbeini­g stehen oder sitzen. Das wirkt nicht eleganter als die sich lümmelnden Kerle in der U-Bahn. Hier geht es aber mehr um Demonstrat­ion von Macht. Dabei haben sie nicht unrecht, denn Experten der Körperspra­che sagen, wer breitbeini­g stehe, wirke standfest und realistisc­h. Manche interpreti­eren dies auch als angsteinfl­ößend. Jeder hat in seinem berufliche­n Umfeld ein paar Breitbeine­r. Nein, furchteinf­lößend finde ich sie nicht, eher belustigen­d. Nach dem Motto: Meine Güte, wenn er so wackelig ist, muss er sich halt breiter aufstellen.

Nur im Obus oder in der U-Bahn mag ich es gar nicht, wenn mir jemand den ohnehin knappen Platz streitig macht. Und da ist es völlig egal, ob es ein Mann ist, der seinen „Gracilis“, den Muskel, der die Beine zusammenhä­lt, zu wenig trainiert hat, oder eine Dame, die meint, Äpfel und Salat bräuchten dringender einen Sitzplatz als andere Fahrgäste.

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